AfD in NRW zerlegt sich

Vorstand tritt auf Landesparteitag in Warburg fast geschlossen zurück

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Helmut Seifen sieht sich als gemäßigte Stimme in der nordrhein-westfälischen AfD. Und weil es aus seiner Sicht mit den Machtkämpfen im größten Landesverband der Partei nicht mehr so weitergehen dürfe, greift der bisherige Co-Vorsitzende am Sonnabend auf dem Landesparteitag in Warburg zu drastischen Mitteln: Seifen und mit ihm acht weitere Mitglieder im Vorstand treten aus Protest gegen den Einfluss des völkisch-nationalistischen Parteiflügels zurück. Dessen wichtigster Unterstützer in NRW, der 54-jährige Thomas Röckemann, bleibt dagegen im Amt des Landeschefs, ebenso wie zwei seiner Unterstützer im Vorstand. Weil mehrere Anträge auf Abwahl knapp an der notwendigen Zweidrittelmehrheit scheitern, führt das Trio nun bis zu den regulären Vorstandswahlen im Dezember die Geschicke der NRW-AfD.

Im Kern der Debatte geht es weniger um die politische Ausrichtung der Partei als um Fragen nach Loyalität und Außenwirkung. »Wir befinden uns unter Gleichgesinnten«, betont selbst Seifen. Auch wenn der 65-Jährige vorgibt, sich Sorgen um den »Bestand der Partei« zu machen, greift er auf Methoden zurück, die Seifen dem »Flügel« vorwirft. Anfang Juni attackierte er »Flügel«-Vorkämpfer Björn Höcke auf einer Veranstaltung in Krefeld mit einem Hitler-Vergleich. Während eines Vortrags verwies Seifen auf ein an die Wand projiziertes Plakat, auf dem »Höcke spricht« steht. Seifen erklärte dazu: »Da gab es früher auch schon mal Plakate, die hießen dann: ›Der Führer spricht‹.«

Harte Attacken fährt Seifen auch am Sonnabend auf dem Parteitag, nennt »Flügel«-Unterstützer unter anderem Höckes »willfährige Werkzeuge«, die bei entscheidenden politischen Fragen nicht im Interesse des Landesverbandes handeln würden. Einen klaren Sieg erringt in Warburg am Ende keines der beiden Lager. Als am späten Sonnabend die Nerven blank liegen, entscheiden sich die Delegierten knapp dafür, das eigentlich zweitägige Treffen vorzeitig abzubrechen.

Zwei Autostunden von Warburg entfernt hält der »Flügel« im thüringischen Leinefelde zur gleichen Zeit sein jährliches »Kyffhäusertreffen« mit 800 Teilnehmern ab. Co-Bundeschef Alexander Gauland tritt als Gastredner auf, ruft die Partei zur verbalen Mäßigung auf. Er erklärte, die AfD besitze den »Mut zur Wahrheit«, sei aber nicht gegründet worden, um »einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen kann«. Seine Kritik an den Völkischen folgt einem taktischen Kalkül. Es gehe darum, Mehrheiten zu gewinnen, wozu man auch Menschen gewinnen müsse, die sich von Radikalität abgeschreckt fühlen könnten.

Im Gegensatz zu Gauland, der als Scharnier zwischen den verfeindeten AfD-Strömungen gilt, im Zweifel aber bisher stets den »Flügel« stützte, geht das Schiedsgericht der bayerischen AfD laut »Welt am Sonntag« auf Konfrontationskurs. Der »Flügel« stehe inzwischen in einem »Konkurrenzverhältnis zur AfD«, heißt es laut der Zeitung in einer einstweiligen Anordnung des Gremiums gegen den »Flügel«-Unterstützer Benjamin Nolte, der die Abschaffung der Unvereinbarkeitsliste fordert.

Auch der AfD-Bundesvorstand warnt in einem Schreiben an das Bundesschiedsgericht, die Partei könne von Rechtsextremisten »unterwandert« werden.

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