Peru: Fragwürdiger Prozess

Perus Ex-Präsident Pedro Castillo zu langer Haft verurteilt

Pedro Castillo, damaliger Präsident von Peru, bei einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast
Pedro Castillo, damaliger Präsident von Peru, bei einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast

Der bisher letzte von der Bevölkerung gewählte Präsident Perus ist wegen eines versuchten Staatsstreichs zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte 34 Jahre Haft für den 2021 gewählten Pedro Castillo gefordert. Dieser weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe von sich und sieht sich als Opfer einer politischen Konspiration.

Castillo hatte während seiner Präsidentschaft im Jahr 2022 versucht, das Parlament aufzulösen und per Dekret zu regieren. Die Sicherheitskräfte waren seiner Anordnung jedoch nicht gefolgt. Das Parlament enthob Castillo daraufhin des Amtes. Er wurde festgenommen und saß seitdem in Untersuchungshaft. Er wurde de facto für die Ankündigung der Auflösung eines Kongresses inhaftiert, der dann nie aufgelöst wurde, sondern stattdessen direkte und indirekte Vergeltungspolitik übt: angefangen von der Absetzung Castillos über die blutige Niederschlagung der Proteste von Castillos Anhänger*innen mit mehr als 60 Toten bis hin dazu, Kritiker zu unerwünschten Personen zu erklären. Darunter die Präsidenten Mexikos und Kolumbiens, die die Absetzung von Castillo für nicht rechtmäßig halten und die Interimspräsidentin Dina Boluarte nicht anerkannten. Castillo wurde mit 101 Stimmen seines Amtes enthoben, obwohl die Verfassung und die Geschäftsordnung des Kongresses festlegen, dass mindestens 104 Stimmen erforderlich sind, um einen Präsidenten abzusetzen. Boluarte wurde Anfang Oktober vom Kongress abgesetzt. Ihr Nachfolger José Jerí soll die Amtszeit bis Juli 2026 beenden. Dann stehen wieder Präsidentschaftswahlen an.

Pedro Castillo hatte große Pläne für Peru: »Keine Armen mehr in einem reichen Land.« Er war einst als Dorfschullehrer mit der Armut und sozialen Ungerechtigkeit täglich konfrontiert, die er als Präsident bekämpfen wollte. Doch die Elite in der Hauptstadt Lima konnte und wollte mit dem »Hinterwäldler« nichts anfangen. Das gilt auch für das von den Rechten dominierte peruanische Parlament, das ihm Steine in den Weg legte, wo es nur ging und ihm in den Wochen vor seiner Verhaftung selbst Auslandsreisen unmöglich machte, die in Peru an die Zustimmung des Parlaments gebunden sind. Castillos Flucht nach vorn mit der versuchten Parlamentsauflösung war ein fragwürdiges Manöver, ob justiziabel, darüber gehen die Meinungen selbst nach dem Urteil weit auseinander.

Politisch war Castillo neben dem Parlament vor allem an seiner politischen Unerfahrenheit und an seinem Unvermögen gescheitert, eine stabile Regierung zu bilden. Eine Kabinettsumbildung folgte auf die nächste. Laut Umfragen hat Castillo immer noch deutlich mehr Unterstützung in der Bevölkerung als alle 2026 antretenden Kandidat*innen. Castillo nützr das nichts, es ist jedoch ein Indiz für die tiefgreifende politische Krise des Landes.

- Anzeige -

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -