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Der Blick nach rechts

Von der einstigen Liberalität der »Neuen Zürcher Zeitung« ist nicht mehr viel übrig

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Wer die publizistische Strategie der »Neuen Zürcher Zeitung« (NZZ) verstehen will, muss sich ihre Entstehungsgeschichte ansehen: Als die Schweizer Tageszeitung 1780 als »Zürcher Zeitung« gegründet wird, sind es mehrheitlich Journalisten aus Deutschland, die für das Blatt schreiben. Dominique Eigenmann und Philipp Loser bezeichnen diese Autoren auf tagesanzeiger.ch als Denker, »die von Zürich aus ihre aufklärerisch-revolutionären Ideen verbreiteten - immer auch die alte Heimat im Blick.« Als nach der Märzrevolution von 1848 Restauration und Verfolgung Europa ergreifen, finden deutsche Liberale bei der NZZ Unterschlupf.

Unter Chefredakteur Eric Gujer, selbst lange »NZZ«-Korrespondent in Deutschland, nimmt die Zeitung mehr als 200 Jahre später wieder die Bundesrepublik in den Fokus. Offiziell weiterhin »einer freisinnig-demokratischen Ausrichtung verpflichtet«, richtet die Zeitung ihren Blick aber zunehmend nach rechts.

Aktuellster Beleg für diese Entwicklung ist ein Artikel des Korrespondenten Michael Rasch. Darin behauptet er, in »deutschen Städten« sehe »die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen« - er meint damit Deutsche, die keine Migrationsgeschichte haben, zumindest nicht in den letzten zwei oder drei Generationen. Thilo Sarrazins »Deutschland schafft sich ab« lässt grüßen. Stefan Niggemeier weist bei uebermedien.de darauf hin, dass Raschs Text in einer ersten Fassung Begriffe wie »Ur-Deutsche«, »ethnologische Deutsche« und »Bio-Deutsche« enthält. Beschreibungen, wie sie auch bei extremen Rechten und anderen Rassisten beliebt sind, die damit behaupten wollen, sie seien »richtige« Deutsche. Entsprechend findet der Beitrag auch bei Pegida, in der AfD und auf rechten Websites in Deutschland Zustimmung. Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen behauptet auf Twitter, die »NZZ« sei »so etwas wie ›Westfernsehen‹«. Bundesrepublikanische Medien allesamt als Lügenpresse zu titulieren, traut sich Maaßen im Gegensatz zu seinem windschiefen historischen Vergleich irgendwie nicht zu.

Zwar distanziert sich die »NZZ« von dieser pauschalen Kollegenschelte, doch Einzelfälle sind die Beiträge, die explizit auf ein AfD-nahes Publikum in Deutschland abzielen, bei den Schweizern nicht mehr. Die »NZZ« wolle »von der rechtspopulistischen Welle im Nachbarland profitieren und bewirbt eine politische Linie, die den ›linken Mainstream‹ geißelt«, analysiert Hans Brandt auf tagesanzeiger.ch. Chefredakteur Gujer spielt dabei eine zentrale Rolle: In seinem auf das Publikum in Deutschland zugeschnittenen wöchentlichen Newsletter »Der andere Blick« behauptet er etwa, dass in der deutschen Asylpolitik »Ideologie über die Realität« gesiegt habe. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier »Sea Watch«-Kapitänin Carola Rackete verteidigt, poltert Gujer: »Der hässliche Deutsche trägt keinen Stahlhelm mehr - er belehrt die Welt moralisch.«

»Kundenfang am rechten Rand« nennt das Schweizer Magazin »Republik« die Strategie der NZZ. Von der einstigen liberalen Haltung ist nichts mehr übrig.

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