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Notenbanken sind eine beliebte Zielscheibe

Ehemalige Fed-Chefs fordern Unabhängigkeit gegenüber dem US-Präsidenten ein

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz des wieder eskalierenden Handelsstreits mit Peking scheint für Donald Trump sein Hauptfeind nicht in Fernost zu stehen, sondern im eigenen Land. »Unser Problem ist nicht China«, schrieb der US-Präsident am Mittwochnachmittag auf Twitter. »Unser Problem« sei, dass die US-Notenbank Federal Reserve Group (Fed) »zu stolz« sei, ihre Fehler einzugestehen. Sie müsse die Zinsen noch stärker und schneller senken, forderte Trump einmal mehr unverhohlen von der eigentlich unabhängigen Notenbank.

Trumps Eindreschen auf die von Jerome Powell geleitete Institution regt frühere Fed-Chefs mittlerweite so sehr auf, dass sie ihrem Ärger jetzt in einem Gastbeitrag für das »Wall Street Journal« freien Lauf ließen: »Wir sind uns einig, dass es der Fed und ihrem Vorsitzenden gestattet sein muss, unabhängig und im besten Interesse der Wirtschaft zu handeln, frei von kurzfristigem politischem Druck und insbesondere ohne die Drohung der Entlassung oder Herabstufung von Fed-Vorsitzenden aus politischen Gründen«, schreiben Paul Volcker, Alan Greenspan, Ben Bernanke und Janet Yellen. Die Historie zeige, dass eine Volkswirtschaft am besten funktioniere, wenn die Notenbank politisch unabhängig sei.

Trump erhofft sich von der Fed Schützenhilfe im Handelsstreit mit China. Sie soll nach seinem Willen die Zinsen möglichst weit senken, damit er billig Schulden machen kann, die Unternehmen günstige Kredite kriegen und so die Konjunktur und Wall Street gestützt werden. Zwar reduzierte die Fed nach langem Drängen Ende Juli das erste Mal seit zehn Jahren die Zinsen, doch ging der Schritt Trump nicht weit genug.

Der US-Präsident ist nicht der einzige Politiker, der mit öffentlichen Angriffen versucht, Einfluss auf die Zen-tralbanken zu nehmen. Auch wenn er es besonders dreist und laut macht. So lag etwa auch Recep Tayyip Erdogan im Dauerclinch mit der türkischen Zentralbank - bis er Mitte Juli deren Chef feuerte und ankündigte, die Zentralbank »vollständig überarbeiten« zu wollen. Gleich zwei Wochen später erfüllte der neue Chef dann den Wunsch des türkischen Staatschefs und senkte die Zinsen drastisch.

Auch der Noch-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, musste sich im Zuge der Eurokrise einiges von deutschen Politikern anhören. Allen voran Wolfgang Schäuble schoss sich seinerzeit als Finanzminister auf den Italiener ein. Der CDU-Mann machte Draghi sogar mitverantwortlich für den Aufstieg der AfD: »Ich habe Mario Draghi (…) gesagt: Sei ganz stolz. 50 Prozent des Ergebnisses einer Partei, die neu und erfolgreich zu sein scheint in Deutschland, kannst du den Auslegungen dieser Politik zuschreiben«, so Schäuble laut der »FAZ« Anfang 2016.

Im Gegensatz zu Trump forderte Schäuble von Draghi nicht niedrigere, sondern höhere Zinsen. Denn dem Minister gingen die Maßnahmen der EZB zur Stützung der Wirtschaft in der Eurozone zu weit, weil Deutschland relativ unbeschadet die Eurokrise überstanden hatte. Von konservativen Politikern wurde deshalb der Vorwurf erhoben, die EZB enteigne mit ihren Niedrigzinsen die heimischen Sparer.

Ohnehin sind Zentralbanken nie gänzlich unabhängig von der Politik, auch wenn es in ihren Statuten steht. Schließlich wird ihr Spitzenpersonal von Politikern ernannt. So bestimmt der Europäische Rat, wer Präsident der EZB wird und in ihr Direktorium kommt. In den USA werden die Mitglieder des Offenmarktausschusses, des obersten Gremiums der Fed, vom Präsidenten ernannt und vom Senat gewählt.

Unterdessen hat die Senkung des US-Leitzinses um 0,25 Punkte auf 2,25 Prozent bereits Auswirkungen auf den asiatisch-pazifischen Raum. Gleich drei Zentralbanken, nämlich die indische, neuseeländische und thailändische, zogen nach und reduzierten am Mittwoch ebenfalls die Zinsen. Dabei begründete etwa die neuseeländische Notenbank ihren Schritt mit den Auswirkungen der von Trump angezettelten Handelsstreitigkeiten auf den Weltmarkt: »Die gestiegene Unsicherheit und der rückläufige internationale Handel haben zu einem geringeren Wachstum bei Handelspartnern beigetragen.«

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