»Davon werden wir zehren können«

»Unteilbar«-Sprecher Ario Mirzaie über Deutschlandfahnen, Olaf Scholz und einen entscheidenden Satz

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Mirzaie, was war für Sie am Samstag in Dresden der schönste Moment?

Für mich war die schönste Situation an diesem Tag, die syrischen Imbissbetreiber zu sehen, die den vorbeiziehenden Teilnehmenden kostenlos Wasser gegeben und somit einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

Im Interview

Ario Mirzaie ist 33 Jahre alt und Berliner, seine Eltern stammen aus Iran. Er arbeitet bei dem antirassistischen Verein DeutschPlus und ist im Sprecher*innen-Team von »Unteilbar«. Nach Kritik am Bündnis stellt er klar, wer bei »Unteilbar« willkommen ist. Mit dem Aktivisten sprach für »nd« Lotte Laloire. Foto: DeutschPlus e.V.

»Unteilbar« zeigt, dass Antifa nicht immer Blockaden und Bengalos bedeutet. Neben Punkern schlenderten Männer im Hemd und mit Baby im Arm, es marschierte eine alte Dame mit, die gerade erst eine Augenoperation hatte, ebenso wie viele Geflüchtete, die mir erzählten, wie wohl und sicher sie sich fühlten. Was wurde bei der Demo-Planung richtig gemacht?

Es ist die Breite unseres Bündnisses, die diesen inklusiven Ansatz ermöglicht. Da sind ganz viele Perspektiven vertreten, die unterschiedliche Bedürfnisse einbringen. Wir hatten einen Aktionskonsens, der allen die Teilnahme ermöglichen sollte. Dazu zählt auch, Busse zur Verfügung zu stellen für mobilitätseingeschränkte Menschen oder Redebeiträge in mehreren Sprachen zu gestalten. Verbote haben wir nicht ausgesprochen. Im Vorfeld wurde ja unnötigerweise über Deutschlandfahnen diskutiert. Auch die haben wir nicht verboten, allerdings sind Nationalfarben eben auch nicht Ausdruck unseres politischen Handelns.

Vielfältig war der Protest, aber so breit, dass CDU und FDP mitgemacht hätten, auch wieder nicht. Unteilbar spreche nur die »Eingeweihten« an, lautete denn auch ein Vorwurf des Deutschlandfahnen-Verteidigers Jan Feddersen in der »taz«.

Ja, die CDU hat sehr schnell sehr klar gemacht, warum sie nicht teilnimmt: weil die »Antifa« mitlaufe. Dazu sage ich nur, Antifaschismus sollte die Grundhaltung aller Demokraten sein, auch der Konservativen. Zumal die Regierungspartei CDU ja einen großen Anteil an der rechten Problematik in Sachsen hat. Da wurde zu viel weggeguckt und verharmlost. Aber alle, die da waren, haben gesehen, »Unteilbar« war wirklich sehr breit aufgestellt, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, verschiedener Religionen und Generationen.

War »Unteilbar« denn ein Erfolg - auch mit Blick auf die Landtagswahl?

Ja, weil es ein Tag der Stärke und des Mutes für viele zivilgesellschaftliche Akteure in Sachsen und in Dresden war. Davon werden wir alle zehren können. Und diese Kraft braucht man auch angesichts der zu erwartenden Gewinne für rechte Parteien bei der kommenden Wahl. Wir sind aber nicht losgelaufen, um der AfD Stimmen wegzunehmen. Wir wollen allen Menschen, die progressiv sind, ein Forum bieten.

Wer ist denn alles »progressiv«? Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)? Der war ja am Samstag auch da. Bis wohin geht Unteilbarkeit eigentlich?

Es ist jeder willkommen, der mit unseren Grundsätzen übereinstimmt - etwa Freiheit statt Einschränkung der Grundrechte.

Das heißt, Olaf Scholz war nicht willkommen? Weder Polizeigewalt noch das Hartz-IV-System, das er mitentworfen hat, noch Asylrechtsverschärfungen oder Abschiebungen, die er als Vizekanzler mitträgt, haben viel mit Freiheit und Grundrechten zu tun.

Genau, das alles hat Scholz mit der SPD verzapft. Wir erwarten eine Abkehr von dieser Politik der Teilung. Wir sehen die Teilnahme von Scholz bei der Kundgebung als eine Verpflichtung an, sich politisch in Zukunft gemäß der Grundsätze von »Unteilbar« zu verhalten.

Wenn man alle einladen möchte, sind dann englische Namen für die Demo-Blöcke nicht eher hinderlich? Zum Beispiel »Parade Power Block« (Parade-Macht-Block). Das verstehen doch gar nicht alle.

Das kann man erstens auch Deutsch aussprechen. Zweitens war der Block eben international ausgerichtet. Andere Begriffe wie »queer« beim feministisch-queeren Block kommen aus dem Englischen und da gibt es keine gute, kurze Entsprechung auf Deutsch. Die Beschreibung aller Blöcke lag zudem immer auch auf Deutsch vor.

Wie kann erreicht werden, dass »Unteilbar« nicht nur eine Worthülse bleibt?

Indem wir weitermachen. Für uns ist klar, dass wir nicht am 1. September um 18 Uhr die Segel streichen. Wir werden mit Argusaugen beobachten, wie sich die Regierungen in Sachsen, Brandenburg sowie Thüringen bilden und dazu weiterhin unsere Stimme erheben.

Was sollen die Leute denn tun, um auch im Alltag unteilbar zu sein?

Ich glaube, viele Menschen haben sich nach der Demo gedacht: ›Hey, ich habe coole Redebeiträge gehört und ich habe Wissen, Kraft und Mut geschöpft, um im Alltag Haltung zu zeigen gegen Neonazis.‹ Newroz Duman vom Bündnis »Welcome United« hat den für mich entscheidenden Satz gesagt: Wir müssen Antifaschistinnen und Refugees zusammenbringen. Die »Unteilbar«-Demo in Dresden war ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

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