Langer Atem für eine echte Veränderung

Bewegt euch! über den Urnengang in Sachsen, taktisches Wählen und die Heimat-CDU.

  • Juliane Nagel, LINKE Sachsen
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Landtagswahl in Sachsen steht vor der Tür. Redaktionen von Tageszeitungen schicken Abordnungen ins Land. Der Osten wird mal verloren gegeben, mal als bewundernswerte Abweichung hochgelobt. Die Angst vor einer schwarz-blauen Koalition bestimmt die Debatte. Wird es die CDU tun? Den Tabubruch vollziehen und mit der AfD koalieren? Ideen zum strategischen Wählen machen die Runde: Diesmal das Kreuzchen nicht links setzen, sondern bei der CDU, damit die AfD nicht stärkste Kraft wird. Oder bei den Grünen, die machen es im Notfall auch mit der CDU. Was in Sachsen los ist, ist nichts Neues, sondern hat sich seit 1990 langsam und ab 2014 mit rasanter Geschwindigkeit den Weg gebahnt: die systematische Verharmlosung neonazistischer Umtriebe und das repressive Vorgehen gegen die Linke. Die Ausgrenzung von Geflüchteten war über Jahre, Jahrzehnte CDU-Politik und prägte das Bewusstsein jener sich selbst als Ureinwohner empfindenden Sachsen, die ab 2014 fast täglich auf der Straße und vor Asylunterkünften aufmarschierten. Das Demokratische wurde durch den selbstherrlichen CDU-Filz fast systematisch vernachlässigt und übergangen, nicht nur absterbende Infrastruktur und ökonomische Überlebensperspektiven trieben Menschen fort, sondern auch der Druck, konform zu sein und nicht vom miefig-spießigen sächsischen Normalzustand abzuweichen.

Protest, Alternativen und Unterstützung von außen waren über die Jahre spärlich und leise. Auch der ernsthafte Versuch, Rot-Rot-Grün als Alternative mit progressiven landespolitischen Plänen möglich zu machen, unterblieb. Die Grünen halten ihr Fähnchen in jeden Wind, die SPD haftet fest an der Koalition mit der CDU und die Linkspartei ist sich selbst genug.

Wer in Sachsen nun aber strategisch wählt, will wohl ohnehin auswandern. Wer ernsthaft die sächsische Heimat-CDU stärken will, wählt nicht nur die Partei, die den Nährboden für die AfD bereitet hat, sondern erhöht auch die Chance für Schwarz-Blau. Denn die CDU wird einen solchen Tabubruch nur als stärkste Kraft im Parlament vollziehen.

Wer jene stärkt, die den CDU-Mist mitmachen wollen, wie es aussieht SPD und Grüne, wählt ebenfalls den Stillstand: Polizeigesetzverschärfung, Abschiebeknast, klimapolitischer Stillstand, niedrigste bundesweite Tarifbindung und ein höchst-selektives Bildungssystem. Und wer wissen will, wie die AfD wirkt, muss sich nur die Ergebnisse der Kommunalwahlen anschauen, die nunmehr drei Monate zurückliegen. Kommunalparlamente werden reihenweise von rechten Kräften dominiert. Und die CDU macht an der Basis gemeinsame Sache mit der AfD. Genau hier geht es um die Wurst. Alles, was bereits jetzt nur mit politischem Taktieren oder aber Rechtsmitteln verteidigt werden kann, wie die Förderung von Jugend- und Kulturarbeit und sozialen Projekten, die Unterstützung von Opfern rechter Gewalt und von Migrantinnen und Migranten, langsame Schritte zur Gleichstellung der Geschlechter und von sexueller Selbstbestimmung, steht vor dem Aus.

Was es braucht? Strukturen müssen aufgefangen und gesichert werden. Starke Netzwerke der hellen Seite sind notwendig, vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich. Hier lässt sich an die Bündnisarbeit von unteilbar oder WannWennnichtjetzt anknüpfen. Aber auch an das, was der antifaschistische Jugendkongress sukzessive und unter hohem Repressionsdruck schon länger aufgebaut hat.

Der Appell geht an alle: Helft dabei, an einer mittelfristigen politischen Veränderung in Sachsen zu arbeiten. Und das nicht nur durch alarmistische Berichterstattungen, wenn es mal wieder geknallt hat.

Dieser Text ist Teil der»nd«-Debattenserie »Bewegt euch!«.

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Die kommenden Landtagswahlen könnten eine Zäsur für Ostdeutschland darstellen. Der Druck auf linke Projekte wächst hier bereits jetzt. Aufgeben? Mitnichten. Doch wie können sich Linke im Osten gegen den Rechtsruck wehren - und vielleicht sogar wieder in die Offensive kommen? Was braucht es für einen emanzipatorischen Wandel und einen neuen Aufbruch? Diese Fragen wollen wir auf unserem Debattenblog diskutieren. Du willst mitschreiben? Schreib uns eine Mail: f.hillebrand (@) nd-online.de; s.baehr (@) nd-online.de

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