Das Bündnis der Verlierer

Fortbestand der Großen Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode wird unwahrscheinlicher

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die Protagonisten der Großen Koalition im Bund ging es bei den Landtagswahlen am Sonntag in Sachsen und Brandenburg nur um Schadensbegrenzung. Das ist ihnen immerhin gelungen. Wie seit Jahr und Tag bleibt die CDU in Sachsen stärkste Kraft. Das Gleiche gilt für die SPD im Potsdamer Landtag. Deswegen sehen die Bundesspitzen der beiden Parteien in ihren offiziellen Statements auch gerne darüber hinweg, dass sie wieder einmal einige Prozentpunkte verloren haben. Zudem sind ihre Koalitionen in Sachsen und Brandenburg abgewählt worden.

Ob die Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode existieren wird, ist nach den Wahlergebnissen vom Wochenende weiter fraglich. Die Union würde als größere Partnerin natürlich gerne weitermachen. Sie hofft, die Grünen in den bundesweiten Umfragen auf Distanz halten können. Allerdings haben die Konservativen offensichtlich kein Konzept, wie sie die Wählerwanderungen zur AfD stoppen können. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte im ARD-»Morgenmagazin«, dass sich ihre Partei weiter von der AfD abgrenzen werde. Allerdings tut die CDU dies bisher nur verbal. Mit der Verschärfung von Flüchtlingspolitik und Polizeigesetzen kommt die Union der rechten Partei inhaltlich schon seit Jahren entgegen.

Kramp-Karrenbauer räumte auch ein, dass in jüngster Vergangenheit nicht alles ideal gelaufen sei. »Wir sind ja seit der Bundestagswahl in bewegten Zeiten, auch als CDU. Wir stehen in einem Erneuerungskurs. Und wir haben gewusst, dass dieses Wahljahr kein einfaches wird«, sagte die CDU-Vorsitzende. »Und es gehört zur Wahrheit, dass wir über manche Hürden gemeinsam, auch ich persönlich, nicht so elegant gesprungen sind, wie das hätte sein sollen.« Peinlich war der Umgang der Konservativen mit der Kritik des Youtubers Rezo. Der Versuch einer Reaktion auf dieses Video vom Mai offenbarte das Unvermögen der Union in der digitalen Welt.

Undurchsichtiger Umgang mit Maaßen

Kürzlich herrschte in der Partei Verwirrung, ob Kramp-Karrenbauer einen Ausschluss des früheren Inlandsgeheimdienstchefs Hans-Georg Maaßen, der sich immer wieder weit rechts positioniert, vorantreiben will oder nicht. Sie hatte zu der Personalie lediglich gesagt, es gebe »hohe Hürden« für ein derartiges Ausschlussverfahren.

Eine offene Führungsdiskussion wird in der CDU noch nicht geführt. Interessant wird es erst, wenn in der Partei entschieden wird, wer als Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel die Spitzenkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl übernimmt. Kramp-Karrenbauers einstiger Rivale bei der Abstimmung über den Parteivorsitz, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, vermied am Montag direkte Kritik an der Parteispitze. Er forderte lediglich nebulös eine »umfassende inhaltliche Offensive« der CDU. »Wir müssen darlegen, was unser Plan für die 20er Jahre ist. Und zwar übergreifend. Wirtschaft, Digitalisierung, Gesundheit, Klima, Zusammenhalt, Sicherheit und Migration - all das hängt zusammen«, sagte Spahn gegenüber der dpa.

Weitaus fragiler ist die Situation der SPD. Sie wird von einem Trio geführt, das bald abtreten wird. Demnächst stimmt die Basis über ein neues Spitzenduo ab. Das Ergebnis soll im Herbst vorliegen. Die derzeitigen Vorsitzenden versuchen, so gut es geht, die Tagespolitik zu managen. Thorsten Schäfer-Gümbel, einer der drei SPD-Übergangschefs, verwies nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg auf den Koalitionsausschuss am Montagabend, auf dem die Regierungspartner über die Klimapolitik diskutieren wollten. Das am 20. September tagende Klimakabinett müsse weitreichende Entscheidungen treffen. »Das wird ganz wesentlich über das Ansehen der Bundesregierung entscheiden«, sagte Schäfer-Gümbel.

Schwach, schwächer, SPD

Viele in der Partei dürften bezweifeln, dass die SPD auf diesem Weg gerettet werden kann. Längst rüsten sich die Lager von Befürwortern und Gegnern der Großen Koalition für die Abstimmung der Basis über die künftige Doppelspitze. Insgesamt treten 17 Kandidaten an.

Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, die mit dem Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens für den Parteivorsitz kandidiert, gratulierte nach den Wahlen dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und dem dortigen SPD-Landesverband trotz der »erlittenen Verluste«. Das Ergebnis in Sachsen jedoch sei bitter, so Lange. »Der Verantwortung für diese historisch schlechten Ergebnisse kann und darf sich der Bundesvorstand der SPD in Berlin nicht entziehen«, erklärte die Sozialdemokratin. Die Partei brauche einen radikalen Umbruch und eine klare Neuausrichtung. Lange ist eine Gegnerin der Großen Koalition auf Bundesebene.

Die Kommunalpolitikerin kritisierte auch Olaf Scholz. Der Vizekanzler und Finanzminister sollte sich angesichts dieser Ohrfeige des Wählers wirklich fragen, »ob er den Neuanfang symbolisieren und verantworten kann«.

Scholz will ebenfalls Parteichef werden und ist unter den Bewerbern der prominenteste Befürworter des Regierungsbündnisses mit der Union. Seine Partnerin ist Klara Geywitz, die nun in Brandenburg ihr Landtagsmandat verloren hat. Geywitz unterlag in Potsdam knapp gegen Marie Schäffer, die als erste Grünen-Politikerin in Brandenburg ein Direktmandat gewann.

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