Schmutzige Arbeit

Christoph Ruf über banale Kungeleien und echte Untiefen des wild gewordenen Fußballgeschäfts.

Beim Bundesligisten Fortuna Düsseldorf ist eine Führungskraft unter Druck geraten: Vorstandschef Thomas Röttgermann soll nach Recherchen des »Spiegel« einen alten Buddy zum »Direktor Strategie, Marke, Geschäftsentwicklung und Digitalisierung« gemacht haben. Es ist ein Kumpel, mit dem er früher schon gemeinsame Projekte entwickelt, also: Geschäfte gemacht hat. »Fortunas Luftschlösser - interne Dokumente belegen Klüngelei«, heißt die Spiegel-Geschichte.

Nun muss man schon besonders dreist sein, wenn man sich binnen weniger Monate beim neuen Arbeitgeber so schamlos aufführt wie Röttgermann. Wenn nun bei der Fortuna ein paar Aufsichtsräte wach werden und ihren Führungskräften etwas skeptischer auf die Finger schauen, wäre die Spiegel-Geschichte vielleicht sogar das Beste, was dem Klub in den letzten Monaten passiert ist. Das Traurige an der Story ist indes etwas anderes: das kollektive Achselzucken. Im Sommer ist es wärmer als im Winter, der Papst ist katholisch … und in der Bundesliga wird gekungelt. Alles nicht so wahnsinnig überraschend, zumindest wenn man sich unter »Kungelei« nicht vorstellt, dass in dunklen Kellern zwielichtige Gestalten im Zigarrenrauch anrüchige Geschäfte machen.

Das Ganze ist viel banaler: Wenn eine Position im Marketing neu zu besetzen ist, passiert das Gleiche wie bei der Suche nach einem neuen Torwarttrainer. Nämlich dass irgendein Funktionär oder Spieler, der bereits beim Verein arbeitet, jemanden ins Spiel bringt, den er für geeignet hält. Zum Beispiel, weil er ihn von der Uni oder von einem früheren Job kennt. Oder einfach, weil er einen guten Ruf hat. In beiden Fällen wird der Kandidat aber sicher nicht vorgeschlagen, ohne dass derjenige, der das tut, ihn nicht persönlich kennengelernt und er dabei den Eindruck gewonnen hat, dass er selbst gut mit ihm auskommen würde, also keine Gefährdung für den eigenen Machtbereich wäre.

Es geht bei der Neubesetzung von Stellen im Fußball also immer um beides. Um Qualifikation - selbst der verruchteste Karrierist würde allein aus egoistischen Gründen niemanden ins Spiel bringen, der sich am ersten Arbeitstag als Vollpfeife erweist. Aber es geht eben auch um Seilschaften-Kompatibilität, also die Absicherung der eigenen Machtbasis. Das alles ist so kritikwürdig wie banal. Denn Sie haben völlig Recht: Im Fußball geht es kein bisschen anders zu als in jedem anderen Betrieb von der Versicherungsagentur bis zur Zeitungsredaktion: Es gibt sie, die Stellen, die nach Ausschreibungen, Vorstellungsgesprächen und gemäß objektiver Kriterien vergeben werden. Und es gibt die Stellen, die auf Zuruf - »da kenne ich eine(n)« - vergeben werden.

Eigentlich skandalös ist vielleicht auch gar nicht die Kungelei in der Fußballbranche an sich, sondern die Intransparenz bei Kungeleien, bei denen es um das ganz große Geld geht. Spielerberater verdienen pro Sommertransferperiode allein in der ersten und zweiten deutschen Liga weit über 100 Millionen Euro. Das sind in aller Regel »nur« die überhitzten und überdrehten Randerscheinungen eines wild gewordenen Geschäfts, dessen größte Profiteure die Spieler selbst sind. Spannender sind die Geldflüsse zwischen Beratern und Branche, die intransparent sind. Die Rede ist von sogenannten Kickback-Zahlungen an Manager, die Vereinsgeld ausgeben und dafür mit Rückzahlungen auf ihr Privatkonto belohnt werden.

Wie oft so etwas vorkommt, ist naturgemäß umstritten. Während die Fußballbranche von ein paar schwarzen Schafen in der Manager- und Beraterzunft spricht, behaupten andere, dass die Herde doch schon ziemlich viele schwarze Bestandteile aufweist. Klar ist hingegen, wie das Ganze funktioniert: Manager A verkauft seinen Spieler B an Verein C und ruft eine viel zu hohe Ablöse auf, die Manager A gegenüber seinem Präsidium oder Aufsichtsrat als »marktkonform« und »branchenüblich« bezeichnet und somit durchgewunken bekommt. Da der Berater in der Regel bis zu 15 Prozent Provision bekommt, ist eine hohe Ablösesumme nicht zu seinem Schaden, weshalb er sich bei Manager A durch Überweisung einer Dankeszahlung auf ein Schwarzgeldkonto erkenntlich zeigt.

»Loving you is a dirty job«, sang Bonnie Tyler einmal. Was auf einen Mann gemünzt war, gilt vielleicht auch für Sportarten. Ob Tylers Nachsatz »but somebody’s gotta do it« auch für den Profifußball gilt, mag jeder für sich selbst beantworten. Muss also jemand die schmutzige Arbeit machen?

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