Hohes Alter schützt NS-Täter vor Anklage

Derzeit laufen noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher

  • Lesedauer: 2 Min.

Hamburg. In Deutschland laufen einem Bericht zufolge noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher. Vor allem ehemalige Wachleute in Konzentrationslagern seien in den Fokus der Ermittlungen gerückt, teilte der Norddeutsche Rundfunk unter Berufung auf Recherchen des NDR-Politikmagazins »Panorama 3« mit. Insgesamt richteten sich die Ermittlungen gegen rund 50 namentlich bekannte Beschuldigte, unter ihnen auch Frauen. In einigen Fällen sei unklar, ob die Tatverdächtigen noch leben. Ein Prozess gegen einen früheren SS-Mann am Landgericht Hildesheim konnte nicht mehr stattfinden, weil der Beschuldigte im Alter von 96 Jahren starb.

Die 29 Strafverfahren laufen bei Staatsanwaltschaften über ganz Deutschland verteilt, wie eine Umfrage von »Panorama 3« unter allen deutschen Strafverfolgungsbehörden ergab. Den Beschuldigten würden Mord oder Beihilfe zum Mord vorgeworfen, teilweise in Tausenden Fällen. Gegen weitere Verdächtige liefen sogenannte Vorermittlungen - hier werde noch geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.

Gegen einen KZ-Aufseher, den 93 Jahre alten Bruno D., beginnt Mitte Oktober der Prozess in Hamburg, wie es weiter hieß. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen im KZ Stutthof vor. Der Prozess könnte einer der letzten sein. Denn wegen des hohen Alters der Beschuldigten werden weitere Prozesse immer unwahrscheinlicher. Die meisten der 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Mordhelfer in der NS-Zeit laufen laut NDR bei den Staatsanwaltschaften in Neuruppin und Erfurt, in deren Zuständigkeiten Taten in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald fallen.

Einzelne Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter sind noch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern anhängig, wie »Panorama 3« berichtete. Bei einigen Verfahren geht es um Massaker von SS-Einheiten in Frankreich und durch Mitglieder von »Sicherheitspolizei« und »Sicherheitsdienst« in der heutigen Ukraine. In Schleswig-Holstein laufen in Itzehoe und Lübeck Strafverfahren gegen zwei Frauen, die im KZ Stutthof tätig gewesen sein sollen. In Hamburg wird noch gegen eine jetzt 97-jährige ehemalige Aufseherin in dem KZ Bergen-Belsen, ermittelt, da sie 1945 an einem Todesmarsch von KZ-Häftlingen beteiligt gewesen sein soll, bei dem 1400 Frauen ums Leben kamen.

Die Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher gehen den Angaben zufolge zumeist auf Vorermittlungen bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg bei Stuttgart zurück. Hier versuchten die Ermittler herauszufinden, welche mutmaßlichen Täter noch leben und inwiefern diese für ihre Taten noch belangt werden können. epd/nd

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