Das bisschen Haushalt macht sich keineswegs von allein

In Brandenburg wurde bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, CDU und Grünen gleich zu Beginn über die künftig wahrscheinlich notwendige Sparpolitik gesprochen

Mit der konstituierenden Sitzung des neuen brandenburgischen Landtags am Mittwoch läuft für Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Zeit. Eine in dieser Form in Deutschland einzigartige Regelung in der Landesverfassung verpflichtet ihn, nun innerhalb von maximal drei Monaten eine Koalition zu schmieden, die ihn oder theoretisch auch jemand anderes spätestens am 25. Dezember im Landtag zum Ministerpräsidenten wählt. Gelingt das nicht rechtzeitig, ist der Landtag automatisch aufgelöst, und es müssen innerhalb von 70 Tagen Neuwahlen stattfinden. Das ist der Grund, warum in Brandenburg immer sehr zügig Koalitionsverhandlungen eingeleitet werden.

Am 1. September war Landtagswahl, wenige Tage später begann die SPD zu sondieren, sprach dabei mit allen im Landtag vertretenen Parteien, ausgenommen die AfD. Schon am 23. September begannen die Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen. Die Verhandlungspartner verständigten sich auf einen Fahrplan und auf sieben Fachgruppen, die Themen wie Bildung, Innenpolitik und Infrastruktur bearbeiten sollen. Mitte Oktober, so hofft der Ministerpräsident, will man damit durch sein. Die Grünen möchten voraussichtlich am 9. November bei einer Landesdelegiertenkonferenz über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen beraten und die Mitglieder bei einer Urwahl über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Ein CDU-Landesparteitag ist für den 16. November anberaumt.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

So atemberaubend schnell, wie das klingt, ist es für hiesige Verhältnisse gar nicht. Zum Beispiel hatte 2009 die Landtagswahl am 27. September stattgefunden und die Minister eines rot-roten Kabinetts wurden damals bereits am 6. November vereidigt. Doch dass sich drei Koalitionspartner einig werden müssen, hat es im Bundesland zuletzt 1990 gegeben. Ab 1994 hatte die SPD erst fünf Jahre mit absoluter Mehrheit allein regiert, dann zehn Jahre mit der CDU und zuletzt zehn Jahre mit der Linkspartei.

»Es ist eine gute Atmosphäre gewesen«, lobte Woidke am Montagabend nach der ersten Verhandlungsrunde. Er sei optimistisch, »dass wir gemeinsam einen guten Koalitionsvertrag für unser Land hinkriegen«.

Von einer »guten Atmosphäre« sprach auch Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher (Grüne). Sie weiß um die Bauchschmerzen, die viele in ihrer Partei haben. Es ist bisher nicht bekanntgeworden, dass sie selbst oder irgendjemand anders nicht lieber mit der Linkspartei als mit der CDU gemeinsame Sache gemacht hätte. Doch für die SPD waren die fünf Stimmen Mehrheit einer Koalition mit der CDU entscheidend. Rot-Grün-Rot hätte im Landtag lediglich eine Stimme Mehrheit gehabt.

Als erstes Ziel nannte Woidke eine Vereinbarung darüber, die Schulden weiter abzubauen. »Wir wollen in der Haushaltssanierung auch in den kommenden Jahren weiter vorankommen.« Das werde aber vielleicht nicht mehr so einfach sein.

2010, kurz nach dem Start der rot-roten Koalition, stand das Bundesland mit knapp 22 Milliarden Euro in der Kreide. Inzwischen sank der Schuldenstand auf 16 Milliarden. Dennoch sagt der scheidende Finanzminister Christian Görke (LINKE) von sich: »Ich bin ein armer Mann.« Der Solidarpakt läuft Ende des Jahres aus, diese Finanzspritze für die ostdeutschen Länder ist dann Geschichte. Außerdem werde Brandenburg in Zukunft maximal noch zwei Drittel der bisherigen Summe Fördermittel von der EU bekommen, »wahrscheinlich weniger«, sagt Görke. Dazu kündigt sich eine Rezession an, mit Auswirkungen auf die Steuereinnahmen. Und dann sind da noch die Straßenausbaubeiträge, die bisher von den Anliegern bezahlt werden mussten. Die beschlossene Abschaffung der Beiträge kostet das Land pro Jahr 31 Millionen Euro. Dem bisherigen Finanzminister traten förmlich die Schweißperlen auf die Stirn, wenn er überlegte, wie er das alles stemmen solle. Doch nun müssen sich andere darum kümmern.

Auch der Landesrechnungshof sorgt sich um den Haushalt. Präsident Christopf Weiser regte nicht umsonst am Dienstag an, zehn Punkte in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Punkt eins: langfristige und regelmäßig aktualisierte Prognosen zur Zahl der Versorgungsempfänger. Denn im vergangenen Jahr musste das Land Brandenburg schon 269 Millionen Euro für die Pensionen von Beamten aufwenden. Für 2027 wird mit 605 Millionen Euro gerechnet, und im Jahr 2045 müssen voraussichtlich 1,3 Milliarden Euro für Pensionen gezahlt werden - allein für diejenigen, die bis einschließlich des Jahres 2008 als Beamte in den Landesdienst aufgenommen wurden und dann noch leben. Die Beamten, die später eingestellt wurden, sind noch gar nicht mitgerechnet. »Für diese Belastungen des Landeshaushalts wird nur unzureichend vorgesorgt«, rügte Weiser.

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