Polizei setzt Pegida-Kundgebungen durch

Ein bayerischer Ableger der Rechtsextremen hat am Wochenende in Friedrichshain-Kreuzberg provoziert

  • Julian Seeberger
  • Lesedauer: 3 Min.

Für viele Berliner war es wie die Landung von Außerirdischen: Eine Handvoll rechtsextremer Hetzer aus dem weit entfernten München suchte am Wochenende die Hauptstadt heim, um Kundgebungen an Orten abzuhalten, die seit langem reaktionäre Fantasien beflügeln: der Görlitzer Park in Kreuzberg und die Rigaer Straße in Friedrichshain.

Am Samstag waren in der Rigaer Straße vom frühen Abend bis Mitternacht 280 Polizisten inklusive Helikopter und Hundestaffel im Einsatz, um die Veranstaltung der fünf Pegida-Anhänger aus München abzuschirmen. Die Polizei vor Ort rechtfertigte das große Aufgebot gegenüber »nd« mit der Versammlungsfreiheit und verwies auf die Neutralität der Beamten. Die schubsten sich kurz darauf durch die rund 100 Gegendemonstranten, umstellten sie und griffen hart für eine Festnahme durch. Vorausgegangen war eine Beleidigung in Richtung der Ordnungskräfte. Viele Anwesende kritisierten die massive Polizeigewalt und zweifelten an der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens. Ansonsten blieb die provokative Aktion der Rechtsextremen, die sich gegen das nahe gelegene linke Hausprojekt »Rigaer94« richtete, ohne weitere Zwischenfälle.

Bereits ab Freitagmittag waren 140 Beamte im Einsatz gewesen, um eine 24-stündige Mahnwache derselben Neonazis im Görlitzer Park zu schützen. Dieser wurde weiträumig für die Öffentlichkeit gesperrt - obwohl außer fünf Anhängern von Pegida München niemand zu sehen war. Auch hier protestierten mehrere Hundert Berliner gegen den Auftritt der Faschisten und kritisierten den enormen Aufwand der Polizei, um den rechten Hetzern ihre Dauerkundgebung zu ermöglichen.

Die Orte waren von den Neonazis keineswegs zufällig gewählt. Im Görlitzer Park beklagten sie die vermeintliche Kapitulation des Rechtsstaats vor ausländischen Dealern. Im linksautonomen Friedrichshainer Nordkiez rund um die teilweise besetzten Häuser in der Rigaer- und der Liebigstraße entrollten sie ein Transparent, auf dem eine Figur mit einem Fuß auf einem niedergeschlagenen Antifaschisten thront. Sowohl die Inhalte als auch die Orte der Kundgebungen zeigten, dass es den Neonazis vor allem um Provokation ging - und Aufmerksamkeit, die darüber hinwegtäuschen soll, dass Pegida, einst wichtiger Akteur des gesellschaftlichen Rechtsrucks, seine Strahlkraft an andere rechte Gruppierungen wie die AfD verloren hat.

Die reaktionären Männer aus Süddeutschland inszenierten sich am Wochenende als Hüter von Recht und Ordnung und hissten demonstrativ die bayrische Fahne. Auch ein paar Filmchen wurden auf einer Leinwand gezeigt, die eine heile kleine Welt aus Leberkäse, Kühen, Weißbier, Jesus und Schloss Neuschwanstein porträtieren - akustisch unterlegt mit Kirchenchorälen. Für viele Berliner Ausdruck einer Ideologie wie von einem anderen Stern.

Just am Tag des Pegida-Auftritts im Görlitzer Park ließ Innensenator Andreas Geisel (SPD) verlauten, dass er nun härter im »Görli« durchgreifen wolle. Dealer sollten abgeschoben und ein »Schwerpunkt-Staatsanwalt speziell für den Görlitzer Park« eingesetzt werden.

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Der LINKE-Abgeordnete Thorsten Buhl, der die Gegenkundgebung in der Rigaer Straße angemeldet hatte, kritisierte das politische und polizeiliche Agieren scharf: »Die Verhältnismäßigkeit ist hier in keiner Weise gegeben. Es würde mich sehr interessieren, wer das genehmigt hat.« Wie viele stellt sich auch Buhl die Frage, ob man der Handvoll Neonazis mit den Gegendemonstrationen nicht zu viel Aufmerksamkeit gibt. »Aber ich als Friedrichshainer konnte das nicht unwidersprochen lassen: Neonazis in der Rigaer - das geht gar nicht!«

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