Koalition packt den Deckel drauf

Rot-Rot-Grün verständigt sich nach zähen Verhandlungen auf eine Regulierung der Mieten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Um zirka 19.35 Uhr, nach erneut zähen, über sechststündigen Verhandlungen, ist es soweit: Nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses müssen die Ergebnisse der Verabredung der Koalitionsspitzen von SPD, LINKE und Grünen zum »Mietendeckelgesetz« noch kurz schriftlich fixiert werden. Dann tritt am Freitagabend ein sichtlich zufriedener Regierender Bürgermeister und Landesvorsitzender der Berliner SPD in der Rotunde des Roten Rathauses in Mitte vor die Presse. Michael Müller verkündet, dass es doch noch eine Einigung zum wichtigsten Vorhaben des Mitte-links-Bündnisses gibt: »Wir haben uns auf den Mietendeckel verständigt«, sagt er.

Einer der Kernpunkte der Verabredung (siehe Kasten) ist der Mietenstopp, der ab dem 18. Juni 2019 für fünf Jahre und sechs Monate gelten soll. Neben dem Einfrieren der Bestandsmieten dürfen zudem sogenannte »Wuchermieten«, die über 120 Prozent höher als die Vergleichsmieten liegen, ab neun Monate nach Inkrafttreten des Deckels Anfang 2020 abgesenkt werden - dabei kommen auch Zu- beziehungsweise Abschläge je nach einfacher, mittlerer und guter Wohnlage zum Tragen.

»Wir sind weggekommen von der allgemeinen Absenkung der Mieten«, betont Müller. Das sei der SPD wichtig gewesen. Um die Absenkungsbegehren von Mietern zu überprüfen, will die Koalition insgesamt 250 Mitarbeiter abstellen, die zentral bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angestellt werden. 50 von ihnen können je nach Lage und Bedarf in die Bezirke abgestellt werden, wo es den meisten Kontrollbedarf gibt. »Wir werden die Bezirke mit dieser schwierigen Aufgabe nicht alleine lassen«, sagt Müller, der die Einigung insgesamt als »guten, tragfähigen und rechtssicheren Kompromiss« einstuft.

Die Landesvorsitzende der LINKEN, Katina Schubert, verweist darüber hinaus auf die mietendämpfenden Regelungen des Deckels bei Wiedervermietungen, wo künftig die Vormiete gelten soll. Bislang ist es so, dass bei Neuvermietung häufig die Mieten besonders erhöht werden, weil die Regelungen der Mietpreisbremse nicht funktionieren. Falls die Vormiete höher ist, sollen die sogenannten Tabellenmieten auf Grundlage des Mietspiegels 2013 gelten. Damals galt der Mietenmarkt in Berlin im Vergleich zu heute noch als einigermaßen bezahlbar.

»Wir sind froh, dass es uns gelungen ist, uns auf ein völlig neues Gesetz zu verständigen, was es so in der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat«, so Schubert. Auch die Grünen zeigen sich äußerst zufrieden mit der Einigung. »Wir werden auf jeden Fall mit diesem Gesetz Geschichte schreiben - und 1,5 Millionen Miethaushalte absichern«, sagt der Landeschef der Grünen, Werner Graf.

»Froh« sind die Grünen über die Möglichkeit, dass Modernisierungsmaßnahmen in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter ohne Genehmigung umgelegt werden können, so dass für den Klimaschutz weiter energetisch saniert wird. Wichtig ist für die Grünen darüber hinaus, dass ab 2022 die Möglichkeit eines Inflationsausgleichs von 1,3 Prozent pro Jahr eingeführt wird. In dieser Höhe können Vermieter dann die Mieten erhöhen - der Mietendeckel soll dann »atmen«, wie es heißt.

Von der Opposition und Wirtschaftsverbänden wird der Mietendeckel-Kompromiss kritisiert. »Das ist ein schwarzer Tag für den Berliner Wohnungsmarkt. Der Mietendeckel wird maximalen Schaden anrichten«, sagt der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner. Die Berliner CDU werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um dieses »Wahnsinnsgesetz« so schnell wie möglich zu Fall zu bringen.

Das weitere Verfahren ist nun, dass der Senat auf Grundlage der Koalitionsausschuss-Verabredung wohl an diesem Dienstag ebenfalls einen Beschluss fasst. Danach werden sich der Rat der Bürgermeister und das Abgeordnetenhaus mit dem Vorhaben beschäftigen müssen. Anfang 2020 soll das Mietendeckel-Gesetz in Kraft treten. Dass es am Ende auch von Gerichten bewertet werden muss, ist absehbar. Neben der Opposition haben auch Verbände und Einzelvermieter Klagen angekündigt.

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