Bauernproteste gegen Umweltauflagen

Landwirte lehnen Agrarpaket der Bundesregierung ab / Kundgebungen in 17 Städten

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Ihr Vorbild sind die aktuellen Bauernproteste in den Niederlanden. Auch wenn sie es nicht so krachen lassen wollen wie im Nachbarland. Dort hatten Landwirt*innen wegen geplanter Klimaschutzauflagen ein Verwaltungsgebäude gestürmt. »Was wir nicht wollen, sind brennende Strohballen oder Gülle vor irgendwelchen Verwaltungsgebäuden«, sagt der Milchviehhalter Thomas Andresen aus dem Organisationsteam des Netzwerkes »Land schafft Verbindung«. Friedlich müsse der Protest sein, betonen er und andere Mitglieder des Teams auf ihrem Youtube-Kanal.

Zusammengefunden haben sich die Initiator*innen Anfang Oktober, innerhalb von nur zwei Wochen sei das Netzwerk, das sich hauptsächlich über den Nachrichtendienst WhatsApp organisiert, auf 16.000 Nutzer*innen angewachsen, insgesamt sollen sich rund 40.000 Landwirt*innen zusammengeschlossen haben.

An diesem Dienstag nun sind bundesweit Proteste geplant: in mindestens 17 Städten, darunter in Hannover, Berlin, Rostock, Stuttgart, Magdeburg; die Hauptkundgebung soll vor dem Landwirtschaftsministerium in Bonn stattfinden. Ihre Kritik richtet sich gegen das Agrarpaket der Bundesregierung mit dem Aktionsprogramm für besseren Schutz von Insekten durch die Reduzierung von Pestiziden, dem staatlichen Tierwohllabel und der stärkeren Umschichtung von EU-Mitteln, die Umweltmaßnahmen in der Landwirtschaft attraktiver machen sollen, sowie gegen die Verschärfung der Düngeordnung. Außerdem wenden sich die Landwirt*innen gegen Mobbing und Diskriminierung ihres Berufsstandes. Auch im EU-Mercosur-Handelsabkommen sehen sie eine Gefahr.

Doch wer sind diese Bäuerinnen und Bauern, die in ihren Auftritten stets betonen, unabhängig von Verbandspolitik zu sein? Im Impressum des Netzwerkes finden sich viele Agrarblogger*innen und Landwirte, die dem Deutschen Bauernverband (DBV) nahestehen. So ist etwa Thomas Andresen auch im Bauernverband in Schleswig-Holstein aktiv, die Landwirtin Maike Schulz-Boers aus Niedersachsen steht hinter der Initiative »Wölfe vs. Land«, die »Bürgerschutz vor Großraubtieren organisiert«. Die Landwirtin Kerstin Blumhardt aus Baden-Württemberg bloggt gegen das Volksbegehren zum Bienenschutz. Positionen, die beim Bauernverband gut aufgehoben sind. Dennoch: Man sei verbandsunabhängig, erklärt das Netzwerk, und vorsichtige Kritik klingt an: Die Verbände hätten in der Vergangenheit oft ihre Arbeit nicht gemacht - nämlich, »uns zu vertreten«.

Der Deutsche Bauernverband befürwortet die Aktionen, ruft aber nicht offiziell dazu auf. Der Verband der Deutschen Milchviehhalter holte sich eine Abfuhr, als er mit eigenen Zielen für die Kundgebung Werbung machen wollte.

Aufspringen wollte auch die rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland, die sich als Bauernversteher zeigt. Sprecherin Maike Schulze-Boers distanziert sich entschieden von dieser Vereinnahmung. »Mit denen haben wir gar nichts, wirklich gar nichts zu tun«, sagt sie dem »nd«.

Auch in Straßburg/Kehl gehen am Dienstag Landwirt*innen auf die Straße. Gemeinsam mit Umweltaktivist*innen wollen sie vor dem EU-Parlament für eine nachhaltige Agrarreform protestieren. Die Demonstration wird organisiert von dem französischen Bündnis »Für eine andere GAP« und dem Bündnis »Wir haben es satt!« aus Deutschland. Inhaltlich überschneiden sich die Proteste nur an wenigen Punkten. So richten sich beide gegen die Auswirkungen des geplanten EU-Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, das die Rindfleischimporte etwa aus Brasilien erhöhen könnte.

Einig sind sich beide auch in der Frage, dass die Einkommen der Landwirte zu gering sind. Doch während etwa die Milchviehalter oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft die Einnahmen über faire Preise erhöhen wollen, richtet sich der Protest des neuen Netzwerkes in erster Linie gegen steigende Produktionskosten und Umweltauflagen.

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Damit erweise sich das Netzwerk jedoch einen »Bärendienst«, kritisierte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff. »Statt in der Sache um einen gesellschaftlichen Konsens zu ringen, skizzieren sie populistische Zerrbilder wie ›Bauernba-shing‹. Fakten zu Umweltauswirkungen der intensiven Landwirtschaft werden infrage gestellt.«

Dennoch, auch die Initiator*innen des Netzwerks werben für Einigkeit unter den Bauern. Sie wollen mit am Tisch sitzen, wenn über die Zukunft ihrer Betriebe entschieden wird. Auch Umweltverbände und Kleinbauern fordern von der Bundesregierung angesichts der zugespitzten Situation umgehend eine Landwirtschaftskommission, die bis Anfang 2020 Maßnahmen vorlegen soll. Das Ziel: ein breiter gesellschaftlicher Konsens über die Zukunft der Landwirtschaft und gegen den Strukturumbruch.

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