(K)ein Meilenstein

Der Kompromiss der Großen Koalition zur Grundrente stößt auf Zustimmung und Ablehnung

Lange hat sie gebraucht, die Einigung der Groß-Koalitionäre zur Grundrente. Doch was ist Schwarz-Rot da letztendlich gelungen? Ein «sozialpolitischer Meilenstein» (Arbeitsminister Hubertus Heil, SPD) oder «kein sozialpolitischer Meilenstein» (Linksfraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch und Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linksfraktion)? Oder ein wenig von beidem?

Sozialverbände vorerst zufrieden

Die Reaktionen der Sozialverbände sind insgesamt eher verhalten. So begrüßt der Paritätische Wohlfahrtsverband die Einigung, fordert aber «Verbesserungen für den Kreis der Grundsicherungsbeziehenden». «Bei aller Kritik, die man im Detail haben kann und muss: Der Kompromiss zur Grundrente ist besser als man hätte erwarten dürfen. Es ist kein fauler, sondern ein intelligenter Kompromiss», erklärt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Renteneinkünfte nicht mehr voll in der Altersgrundsicherung anzurechnen, sei überfällig und richtig. Es könne jedoch nicht angehen, dass dies nur für Grundsicherungsbeziehende mit 35 und mehr Beitragsjahren gelte. «Dies ist eine nicht akzeptable Diskriminierung aller anderen Bezieherinnen und Bezieher kleiner Renten in der Grundsicherung», so Schneider.

Auch der Sozialverband VdK zeigt sich «sehr erleichtert» über den Kompromiss. Sie sei «froh, dass die Bedürftigkeitsprüfung nicht kommt», erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Letztendlich müsse die Grundrente jedoch überflüssig gemacht werden, so Bentele. «Wir brauchen endlich einen Mindestlohn von über zwölf Euro und ein stabil hohes Rentenniveau.» Für den Sozialverband Deutschland «war es klug, wenigstens diesen Kompromiss zu erzielen, anstatt die Grundrente dem Parteiengezänk zu opfern», so SoVD-Präsident Adolf Bauer, der aber zu bedenken gibt: «Ob den Beziehern der Grundrente der Gang zum Sozialamt tatsächlich erspart bleibt, muss sich erst noch bewahrheiten.»

Gut für den Osten?

Die Volkssolidarität weist in ihrer Bewertung des Kompromisses, den sie ebenso begrüßt wie die anderen Sozialverbände, auf dessen Bedeutung für den Osten hin. «Aufgrund des großen Niedriglohnsektors profitieren aktuelle und künftige Rentner und Rentnerinnen in den neuen Bundesländern besonders von diesen Regelungen», erklärt Verbandspräsident Wolfram Friedersdorff. Es gelte jedoch weiterhin, «durch eine gezielte Strukturpolitik für Ostdeutschland sowie mittels einer spürbaren Anhebung des Mindestlohns und der Stärkung der Tarifbindung dafür zu sorgen, dass sich die weiterhin bestehenden Gehaltsunterschiede zwischen Ost und West deutlich verringern.»

Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im sächsischen Landtag, Susanne Schaper, wiederum kritisiert, dass durch die Begrenzung auf mindestens 35 Beitragsjahre «gerade in Ostdeutschland viele Menschen aus der Grundrente» herausfielen, «die infolge der Treuhand-Politik unterbrochene Erwerbsbiografien haben». Und Wenke Brüdgam, LINKE-Landeschefin in Mecklenburg-Vorpommern, merkt an: «Die Grundrente ist ein erster Schritt. Wenn aber Minijobs und Geringverdiener außen vor sind, werden viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern von der Grundrente ausgeschlossen. Das ist ungerecht.»

Oppositions- und CDU-Kritik

Linksparteichef Bernd Riexinger sieht in dem Kompromiss «eine Verbesserung, aber keinen großen Wurf.» Statt die Lebensleistung von Menschen ohne Prüfung anzuerkennen, schlucke die SPD die Einkommensprüfung. «Wichtiger als eine gute Rente für alle, mit grundlegenden Reformen, ist den Parteispitzen vor allem die Publicity für ein Weiter so zur GroKo», so Riexinger.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock begrüßte zwar grundsätzlich die Einigung, forderte aber, dass die Grundrente bereits ab 30 Beitragsjahren gezahlt werden solle. Außerdem plädiert sie für ein insgesamt höheres Rentenniveau und «eine Rentenversicherung, in die alle einzahlen» und die so «einen sicheren Schutz vor Altersarmut enthalte.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sprach am Montag von einem »schlechten Kuhhandel«, der auch noch »unseriös finanziert« sei. Die Koalitionsbeschlüsse bedeuteten »enorme Bürokratie und immer noch hohe Kosten für die Steuer- und Beitragszahler«. Zugleich sei die als Gegenfinanzierung vorgesehene Finanztransaktionssteuer ungewiss.

Auch innerhalb der CDU gab es am Montag Kritik und bei der Abstimmung über den Kompromiss im Vorstand der Partei drei Gegenstimmen, unter ihnen Junge-Union-Chef Tilman Kuban und der Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann. Der ausgehandelte Kompromiss bedeute eine Abkehr vom bisherigen Sozialstaatsprinzip, erklärte Linnemann.

Mit Blick auf die Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag sagte Kuban, er sei mit vielen jungen Abgeordneten im Gespräch. Man werde die Ablehnung des Kompromisses auch in der Fraktion deutlich machen. »Ich werbe dafür, dass gerade die jungen Abgeordneten dann auch klarmachen, dass wir für Generationengerechtigkeit stehen. Und für Generationengerechtigkeit steht dieser Kompromiss leider nicht.« Mit Agenturen

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