Ein »Spalter« als Staatssekretär

Polizeigewerkschafter Rainer Wendt geht ins CDU-geführte Innenministerium von Sachsen-Anhalt – Irritationen bei Koalitionspartner Grüne

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Rainer Wendt sei »kein guter Polizist«. Zu diesem Urteil über den Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) kam im März 2017 der Satiriker Jan Böhmermann. Auslöser war eine Gehaltsaffäre: Obwohl als Gewerkschaftschef vom Polizeidienst freigestellt, erhielt Wendt vom Land Nordrhein-Westfalen elf Jahre lang weiter seine Bezüge. Böhmermann reimte: »... weil du dir selbst der Nächste bist«.

Das Video mit dem Lied aus dem »Neo Magazin Royale« dürfte jetzt in Sachsen-Anhalt wieder oft angeklickt werden; Henriette Quade, Innenexpertin der LINKEN, verlinkte es auf Twitter, nachdem eine verblüffende Personalie bekannt geworden war. Wendt, der nächsten Freitag 63 Jahre alt wird, soll Staatssekretär in dem von CDU-Landeschef Holger Stahlknecht geführten Innenministerium werden. Seine Vorgängerin Tamara Zieschank wechselt in die Bundesregierung nach Berlin.

Stahlknecht sowie Regierungschef Reiner Haseloff lobten den Neuen in höchsten Tönen; es sei eine »große Freude«, hieß es in einer Erklärung, dass man »einen der fachkundigsten und bekanntesten Vertreter der Interessen unserer Polizei und engagierten Vertreter für die Sicherheit« in der Landesregierung habe. Die Begeisterung war indes recht einseitig. Bei den Grünen als Koalitionspartner sorgte der Zugang für erhebliche Irritationen. »Was bitte ist denn das für ein Signal?«, fragte Landeschefin Susann Sziborra-Seidlitz, »und was bitte soll uns das als Koalitionspartner sagen?« Ihr einstiger Kollege Christian Franke-Langemach wurde deutlicher: »Dieser Mann«, schrieb er, habe »in den letzten Jahren viel Hass und Spaltung in unsere Gesellschaft getragen«.

Wendt, der die mit 97 000 Mitgliedern kleinere der beiden Polizeigewerkschaften seit 2007 führt und derzeit bis 2020 gewählt ist, gilt als Verfechter eines harten Law-and-Order-Kurses, darüber hinaus aber auch als »Scharnier zwischen konservativen und rechten Milieus«, wie das Magazin »Der rechte Rand« in einem Beitrag über die DPolG als »blaue Gewerkschaft« resümierte. Wendt stehe nicht nur gern als Interviewpartner für rechte Medien wie »Junge Freiheit« und »Compact« bereit. Wiederholt, heißt es in dem Beitrag, habe der in Talkshows omnipräsente Gewerkschafter Begriffe der neuen Rechten auch im breiteren Diskurs salonfähig gemacht. Genannt wird »Abschiebeverhinderungsindustrie« für Organisationen wie Pro Asyl.

In dem 2016 erschienenen Buch »Deutschland in Gefahr« vertrat Wendt die in der extremen Rechten verbreitete These eines Kulturkampfes: In die Bundesrepublik drängen demnach Hunderttausenden Flüchtlinge, die »unsere Kultur nicht kennen und zutiefst verachten«. In dem Buch wie an anderer Stelle äußerte sich Wendt abfällig und diffamierend über Migranten. In der AfD und deren Umfeld genießt er ob solcher Thesen größte Popularität. Er sei, sagt LINKE-Politikerin Quade, für die Partei ein »Kronzeuge« – ab sofort mit der Autorität eines Ministerialbeamten.

Abzuwarten bleibt, wie sich die Personalie auf das Klima in der ohnehin fragilen Koalition von CDU, SPD und Grünen auswirkt – und auf den internen Richtungskampf in der CDU. Maßgebliche Vertreter wie der aus dem Harz stammende Fraktionsvize Ulrich Thomas propagieren eine Annäherung an die AfD, weil die CDU im aktuellen Bündnis ihr Profil einbüße. Quade sieht mit der Berufung des neuen Innenstaatssekretärs Kräfte innerhalb der Union gestärkt, die die »inhaltliche Verbindung zur AfD ausbauen und die Grundlage für eine zukünftige Koalition« schaffen wollten. Die Ernennung Wendts sei eine »politische Richtungsentscheidung«.

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