Demonstranten in Nassirija getötet

Gewalt in der südirakischen Stadt eskaliert

  • Lesedauer: 3 Min.

Nassirija. Nach dem Brand des iranischen Konsulats in der irakischen Stadt Nadschaf ist die Gewalt im Land weiter eskaliert. In der südirakischen Stadt Nassirija wurden bei der gewaltsamen Räumung von zwei besetzten Straßen durch die Sicherheitskräfte am Donnerstag mindestens 25 Demonstranten getötet und 200 verletzt. Die Regierung in Bagdad setzte wegen der Unruhen einen Krisenstab des Militärs ein.

Die seit Anfang Oktober andauernden Demonstrationen in der Hauptstadt Bagdad und dem Süden des Landes sind die größten Proteste seit dem Sturz von Saddam Hussein durch die USA 2003. In einer neuen Eskalation der Lage zündeten Demonstranten in der Nacht zu Donnerstag das iranische Konsulat in der Pilgerstadt Nadschaf an. »Sieg für Irak« und »Iran raus«, riefen die Demonstranten. Sie sind wütend, dass Iran die Regierung von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi stützt, gegen die sie seit Wochen auf die Straße gehen. Der iranische Außenamtssprecher Abbas Musawi verurteilte den Angriff auf das Konsulat und forderte die Regierung in Bagdad auf, entschieden gegen die »Aggressoren« vorzugehen. Iran habe dem irakischen Botschafter in Teheran seine »Empörung« über den Angriff mitgeteilt, sagte Musawi.

Schon in der Vergangenheit hatte sich die Wut der Iraker auf den Nachbarn wiederholt in Angriffen auf seine Vertretungen entladen. Erst kürzlich wurden vier Demonstranten vor dem iranischen Konsulat in Kerbela erschossen, die die diplomatische Einrichtung attackiert hatten. Vor der Erstürmung des Konsulats in Nadschaf hatte das Personal das Gebäude verlassen, so dass niemand verletzt wurde.

In Nassirija stürmten Sicherheitskräfte zwei besetzte Brücken und erschossen mindestens 25 Demonstranten. Nach den Zusammenstößen in Nassirija wurde eine Ausgangssperre verhängt. Auch in Nadschaf wurden staatliche Angestellte angewiesen, zuhause zu bleiben. Die Straßen der Stadt waren am Morgen weitgehend verlassen.

Angesichts der Unruhen berief Regierungschef und Oberbefehlshaber Abdel Mahdi am Donnerstag mehrere Militärkommandeure in einen Krisenstab, um in den südlichen Provinzen des Landes »Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen«, wie die Militärführung mitteilte. Sie hätten den Auftrag, den dortigen Gouverneuren zur Seite zu stehen und die Sicherheitskräfte und Soldaten vor Ort zu »kontrollieren«.

Seit Beginn der Proteste Anfang Oktober wurden nach Zählung der Nachrichtenagentur AFP mehr als 370 Menschen getötet und 15 000 verletzt. Die Behörden veröffentlichen seit Wochen keine aktuellen Opferzahlen mehr. Die Demonstranten fordern eine neue Regierung unter Ausschluss der etablierten Parteien, da sie die gesamte politische Elite für Korruption, Klientelismus und staatliche Misswirtschaft verantwortlich machen.

Auch zwei Monate nach Beginn der Proteste haben Parlament und Regierung noch keine bedeutenden Reformen auf den Weg gebracht. Ungeachtet des Unmuts in der Bevölkerung hat sich Iran hinter Ministerpräsident Abdel Mahdi gestellt. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal