Seit 20 Jahren zu viel Gülle auf den Äckern

Eine Langzeitstudie des Umweltbundesamtes zeigt: Der Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft ist seit 20 Jahren unverändert zu hoch.

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Die aktuellen Bauernproteste richten sich unter anderem gegen die EU-Düngemittelrichtlinie. Dabei werden auch die Messwerte des Umweltbundesamtes (UBA) angezweifelt, das regelmäßig die Nitratbelastung untersucht. So bemängelt die Initiative »Land schafft Verbindung«, 43 Prozent der Messstellen lägen in nicht landwirtschaftlich genutzten Gebieten.

Am Dienstag hat die Umweltbehörde in Dessau-Roßlau eine neue Studie vorgelegt, die Veränderungen bei Stickstoffeinträgen seit 1995 untersucht hat. Das Ergebnis: Insgesamt liegt der durchschnittliche Stickstoffüberschuss der Flächenbilanz bei 77 Kilogramm pro Hektar und ist seit mehr als 20 Jahren praktisch unverändert. Zugenommen haben die Stickstoffeinträge in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in den Kreisen mit hoher Tierdichte. Die permanent hohe Stickstoffzufuhr kommt laut Behörde durch Dünger wie Mineraldünger und Gülle zustande. Zudem steige die Belastung durch Gärreste aus der Biogaswirtschaft, die mittlerweile rund 15 Prozent der in der Landwirtschaft verwendeten Stickstoffmenge verursachten.

Bundesregierung setzt Richtlinie nur zögerlich um

Seit 1991 verschleppt die Bundesregierung die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Seit Oktober 2013 läuft deswegen ein Mahnverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, 2016 hat die Kommission eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Im Frühjahr 2017 hat die Bundesregierung einen neuen Entwurf vorgelegt, den sie im September nachgebessert und erneut nach Brüssel geschickt hat. Ob die Klage damit abgewehrt werden kann, ist allerdings nach wie vor offen. »Diese Situation hat Deutschland durch Untätigkeit selbst verschuldet«, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger.

Gülletransporte einberechnet

Stickstoffüberschüsse lassen sich laut Krautzberger wirksam mindern. »Dafür muss der Stickstoff in der Gülle und in den Gärresten aus Biogasanlagen so ausgebracht werden, dass er nicht als Ammoniak in die Luft entweicht und von den Pflanzen besser aufgenommen werden kann.« Zudem könnten eine Begrenzung der Tierhaltung und weniger Stickstoffdüngung sinnvoll sein.

Mit den Nährstoffberichten für die Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein konnten erstmalig in der Stickstoffbilanz die Auswirkungen von Gülletransporten zwischen Regionen berücksichtigt werden. Das Ergebnis: Der Stickstoffüberschuss nimmt in Gebieten mit intensiver Tierhaltung ab, wenn die Gülle in die Ackerbauregionen etwa im östlichen Niedersachsen sowie im südlichen Nordrhein-Westfalen verbracht. Dort steigt aber der Überschuss. Laut einer Großen Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion sind in Nordrhein-Westfalen rund 40 Prozent der Grundwasserkörper mit Nitrat belastet. Angesichts der schlechten Grundwasserqualität hatte die Deutsche Umwelthilfe die Landesregierungen von NRW und Niedersachsen verklagt.

Der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) hat dagegen am Mittwoch in Mainz vor demonstrierenden Bauern eine Überprüfung der Nitrat-Messstellen angekündigt. Der Minister warf der Bundesregierung eine »verfehlte Pflanzenschutzpolitik« vor und kritisierte, die Umsetzung der Düngeverordnung sei nicht mit den Ländern abgesprochen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal