Fahndungsbefehl gegen Grünen-Politiker Kilic

Prozess wegen Präsidentenbeleidigung begonnen / Beschuldigte fliegt nicht in die Türkei

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Reist er in die Türkei, droht die Festnahme: Gegen den deutsch-türkischen Grünen-Politiker Memet Kilic wurde von einem Richter in Ankara ein Fahndungsbefehl erlassen. Dem 52-Jährigen wird seit Dienstag der Prozess wegen Präsidentenbeleidigung gemacht, er war zur ersten Anhörung nicht selbst vor Gericht erschienen. Mit dem Fahndungsbefehl solle laut Kilics Anwalt Veysel Ok eine Aussage seines Mandanten in der Türkei erzwungen werden, erklärte er der Deutschen Presse-Agentur.

Der Anwalt von Präsident Recep Tayyip Erdogan habe zuvor argumentiert, dass der Kilic vorgeworfene Tatbestand in Deutschland nicht als Straftat angesehen werde und er habe die Vernehmung von Kilic in der Türkei gefordert, sagte der Anwalt. Ok hatte für Kilic beantragt, seine Verteidigung in Deutschland vorbringen zu dürfen.

Die Oberstaatsanwaltschaft in Ankara stuft in ihrer Anklageschrift mehrere Aussagen von Kiliç in einem Interview mit der türkischen Internetzeitung »ABC Gazatesi« aus dem Juli 2017 als beleidigend für das Staatsoberhaupt ein. In dem Interview hatte Kiliç unter anderem gesagt: »Der Schaden, den Erdogan der Türkei zugefügt hat, ist untragbar.« Und: »Ich bin als Politiker mit türkischen Wurzeln sehr traurig darüber, dass mein Land in diese Lage gebracht wurde und bezeichne diejenigen, die es in diese Lage gebracht haben, als Vaterlandsverräter.«

Gegenüber dpa erklärte Kilic, er habe nicht vor, bald in die Türkei zu fliegen. Er und sein Anwalt würden nun vor Gericht beantragen, den Zwischenbeschluss zu korrigieren, um dennoch in Deutschland aussagen zu können. Nach Ansicht seines Anwalts könne kein Urteil gegen ihn ergehen, solange er nicht vernommen werden konnte, sagte Kilic. »Allerdings gehe ich davon aus, dass es trotzdem dazu kommen könnte. Von der Unabhängigkeit der türkischen Justiz ist ja nicht zu reden.« Die nächste Verhandlung soll am 26. Februar 2020 stattfinden.

Kilic hat die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Von 2009 bis 2013 saß er für die Grünen im Bundestag und ist weiter auf Landesebene politisch aktiv, unter anderem als Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht der Grünen in Baden-Württemberg. Beruflich ist er als Anwalt in Heidelberg tätig und auch Autor für das Politische Feuilleton im Deutschlandfunk Kultur. Gegenüber dem Sender kritisierte Kilic am Dienstag das Verfahren gegen ihn als einen »politischen Prozess«. Die Anzeige des Präsidialpalastes müsse ja vom türkischen Justizministerium genehmigt worden sein, damit sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall überhaupt befassen könne. So sei es im türkischen Recht geregelt, erklärte Kilic. nd/Agenturen

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