Ein Bauhaus steht im Walde
Rohbau des Besucherzentrums für das Weltkulturerbe in Bernau soll noch dieses Jahr fertig werden
Georg Tsiakos gehörte zu den Ausländern, die an der Gewerkschaftshochschule »Fritz Heckert« in Bernau-Waldfrieden studierten. Zum dort gelehrten Fächerkanon zählten Philosophie, Sozialistische Betriebswirtschaft und Arbeitsschutz. Wieder daheim in Griechenland wurde Tskiakos jedoch nicht Gewerkschaftsfunktionär, sondern nach einem weiteren Studium Regisseur. Er drehte Filme und Fernsehserien - und dabei halfen ihm die alten Kontakte. Das DDR-Fernsehen habe ihn sehr unterstützt, erinnert sich Tsiakos. Einmal betätigte er sich »ein bisschen als Spion«, wie er sagt. »Das war nicht ungefährlich für mich.« Ganz allein schleppte er in der Nähe von Athen Kamera und Stativ auf einen Berg und filmte von oben in eine US-Militärbasis hinein.
Diese Erinnerungen von Tsiakos sind aufgenommen worden. Besucher einer am Freitagabend eröffneten Ausstellung auf dem Gelände der ehemaligen Gewerkschaftshochschule können sich das anhören. Dazu liegen Fotokopien von Dokumenten auf einem Tisch. Zu sehen ist eine Urkunde, die Tsiakos als Sieger in einem Blitzschachturnier ausweist. Es hat ihm gefallen in der DDR. Nur eins ging ihm gegen den Strich, weil es mit dem Gedanken des Sozialismus seiner Ansicht nach nicht zu vereinbaren war: die speziellen Gaststätten, in denen die Rechnung nur mit Westgeld bezahlt werden konnte.
Vier Räume einer ehemaligen Lehrerwohnung der Hochschule sind mit der Ausstellung belegt. Sie widmet sich der Bau- und Nutzungsgeschichte des Areals sowie der Arbeit des Fördervereins Bauhausdenkmal Bundesschule Bernau. Neben einem Modell der Anlage und vielen Schautafel liegen in einer kleinen Bibliothek Bücher aus, die es erlauben, noch tiefer in das Thema einzusteigen.
Dass der älteste Teil der Gewerkschaftsschule ein Spitzenwerk der Bauhausarchitektur ist, das 2017 als Weltkulturerbe eingestuft wurde, zieht Gäste an. Die Stadt Bernau baut ein Besucherzentrum, wofür sie 900 000 Euro Fördermittel vom Bund bewilligt bekam. Der Entwurf sollte sich eigentlich mit einer Million Euro realisieren lassen. Es wird aber deutlich teurer - 1,8 Millionen Euro. Das ärgert Bürgermeister André Stahl (LINKE), aber trotzdem soll das Projekt an der Summe nicht scheitern. Die Stadtverordneten machten den Weg frei. Das Besucherzentrum könne trotz der Mehrkosten entstehen, versichert Stahl. Die Baugenehmigung liegt bereits vor. Die Ausschreibung ist zwar noch nicht abgeschlossen. Doch im Frühjahr sollen die Bauarbeiter loslegen. Stahl hofft, dass noch im laufenden Jahr zumindest der Rohbau steht.
Friedemann Seeger, der Vorsitzende des Fördervereins, freut sich, das zu hören. Dann würde die Ausstellung in der Lehrerwohnung nicht sehr lange geöffnet bleiben. Sie ist hier nur eine Übergangslösung, bis das Besucherzentrum fertig ist. Ganz neu ist die Ausstellung nicht. Sie basiert auf Elementen, die vom Verein bereits in den 90er Jahren für eine Wanderausstellung zusammengetragen wurden. Daraus haben die Kuratorinnen Natalie Obert und Julia Herfuth eine Ausstellung geformt, die im vergangenen Jahr in der Galerie Bernau zu sehen war. Sie sind nun auf das Angebot eingegangen, diese Ausstellung in veränderter Form noch einmal vor Ort aufzubauen.
Bereits fertig ist die Gestaltung der Außenanlagen. Dabei wurde eine in der DDR errichtete Mensa abgerissen, die inzwischen ziemlich mitgenommen aussah und die Bürgermeister Stahl despektierlich als »Fresswürfel« bezeichnete. An diese Stelle soll das Besucherzentrum gesetzt werden. Die Asphaltwege wurden betoniert und es wurden Büsche am Teich entfernt, denn ursprünglich gab es die Betonstraße und einen freien Blick aufs Wasser. Für die Außenanlagen sind rund 1,7 Millionen Euro aufgewendet worden. Es gelang bei den Kosten »beinahe eine Punktlandung«, erläutert André Stahl. Auch hierfür konnten Fördermittel organisiert werden. Am Freitag sollte es der Bürgermeister offiziell machen und feierlich sagen: »Die Außenanlagen sind eröffnet.« Diesen Wunsch von Vereinschef Seeger erfüllte Stahl mit einem Lächeln. Fertig sind die Außenanlagen schon seit einiger Zeit.
Ausstellung »Schule im Walde - 1928 bis heute«, Hannes-Meyer-Campus 9 in Bernau-Waldfrieden, donnerstags und sonntags von 10 bis 16 Uhr, Eintritt frei
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