Nach langer schwerer Krankheit

Rot-Weiß Erfurt kämpfte in der Insolvenz fast zwei Jahre ums Überleben. Nun ist es aus.

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Montag hatten die Fans von Rot-Weiß Erfurt noch Hoffnung. Etwa 200 Anhänger des Traditionsvereins aus Thüringen waren am Abend auf dem Vereinsgelände zu einem Fantreffen zusammengekommen. Auch 15 Spieler waren dabei. Sie alle wollten ihrem Verein noch einmal die Ehre erweisen. Ob es die letzte werden sollte, wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Noch einmal hatte sich ein Investor angekündigt, dem klammen Klub aus der Patsche zu helfen. Noch einmal hatte man auf frisches Geld gehofft.

Zwei Tage später aber herrschte Gewissheit: Rot-Weiß Erfurt muss seine Mannschaft vom Spielbetrieb abmelden. Einer der Großen im Osten verschwindet - zumindest vorerst - von der Fußball-Landkarte.

Es war kein plötzlicher Tod, eher ein langes Leiden. Fast zwei Jahre lang hing der Verein am seidenen Faden, bevor dieser nun endgültig riss. Bereits am 14. März 2018 meldete RWE Insolvenz an, wenige Wochen später stand der Abstieg aus der 3. Liga in die Regionalliga fest. Zwischen Dezember 2018 und März 2019 stand der Verein schon zweimal vor dem Aus, neue Darlehen retteten den Klub jeweils in letzter Minute. Nachdem die Regionalliga-Mannschaft im August in eine GmbH ausgegliedert worden war, präsentierte Insolvenzverwalter Volker Reinhardt zwei Monate später drei neue Investoren und damit neues Geld. Allerdings nur scheinbar: Vor zwei Wochen gab Reinhardt bekannt, dass die Dezembergehälter doch nicht gezahlt werden konnten und die Lage erneut kritisch sei. Am Montag dann die kurze Hoffnung, ein neuer Geldgeber stand im Raum. Nun das endgültige Aus.

Es ist ein Riss, der tiefe Trauer hinterlässt - nicht nur beim Verein selbst. »Das Wunder, auf das ich und wohl alle RWE-Fans gehofft haben, ist leider ausgeblieben«, sagte Erfurts Bürgermeister Andreas Bausewein (SPD). Auch Matthias Auth, der Präsident von Energie Cottbus, der am Samstag der erste Gegner von Rot-Weiß Erfurt im neuen Jahr gewesen wäre, hätte gern ein Fußballspiel gesehen: »Der FC Rot-Weiß Erfurt ist ein Traditionsverein im Osten, verkörpert für seine zahlreichen und leidenschaftlichen Fans seit 54 Jahren Identifikation und Stolz. Das sollte nicht so zu Ende gehen.«

Auch den Spielern stand die Enttäuschung am Mittwoch ins Gesicht geschrieben. Bis zuletzt hatten diejenigen, die noch keinen anderen Verein gefunden hatten, auf eine Kehrtwende gehofft. Am Mittwochnachmittag verließen sie dann frustriert das Steigerwaldstadion. Manche schauten dabei auf ihre Handys oder telefonierten, möglicherweise mit ihren Beratern oder anderen Vereinen. Zu denen, die noch die Kraft fanden, sich ein letztes Mal den Fragen der Journalisten zu stellen, gehörte Pierre Becken: »Ich hätte schon längst vom Hof reiten können«, sagte er dem MDR-Fernsehen. Allerdings hätten alle Spieler, die noch übrig geblieben sind, gehofft, dass es irgendwie weitergeht. Nun seien alle »brutal enttäuscht«.

Trainer Robin Krüger konnte seine Trauer jedenfalls kaum verbergen: »Wir müssen das jetzt verarbeiten. Die Regionalliga-Mannschaft ist innerhalb einer Woche zweimal gestorben«, sagte er mit Blick auf das Fantreffen, auf dem die Beerdigung ursprünglich bereits vollzogen werden sollte. Aber Krüger sagte noch etwas von großer Bedeutung: »Der Verein lebt, der Verein wird weiterleben.«

Tatsächlich wird RWE im Vereinsregister bleiben. Die Nachwuchsmannschaften spielen weiter, und auch das Nachwuchsleistungszentrum soll, wenn möglich, erhalten bleiben. Die jetzige U19 könnte dann in der nächsten Saison als erste Mannschaft in der Fußball-Oberliga auflaufen. Der Verein, der von oben - durch andauerndes Missmanagement seiner Führung - zerstört wurde, soll nun von unten wieder aufgebaut werden.

Besonders misslich ist die Lage für die Spieler. Weil die Wechselperiode nur bis zum 31. Januar andauerte, mussten sie binnen weniger Tage einen neuen Verein finden. Bereits zu Beginn der Woche hatten Morten Rüdiger (Lübeck), Rico Gladrow (Cottbus), Kapitän Lukas Novy (unbekannt) und Selim Aydemir (Menemenspor) den Klub verlassen. Bis Freitagmittag folgten zehn weiter Spieler, und der aus Düsseldorf ausgeliehene Torhüter Jannick Theißen kehrt dorthin zurück.

Das Aus von Rot-Weiß sorgt derweil dafür, dass die Meisterschaft in der Regionalliga etwas durcheinandergewirbelt wird. Alle bisher absolvierten Spiele der Erfurter wurden annulliert, die Tabelle musste entsprechend korrigiert werden. Tabellenführer bleibt Energie Cottbus (39 Punkte), Verfolger Lok Leipzig (36) rutscht aber hinter die VSG Altglienicke (38) auf den dritten Platz.

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