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Aufholjagd für die Geschichtsbücher

American Football: Die Kansas City Chiefs aus Missouri gewinnen zum ersten Mal seit 50 Jahren den Super Bowl

  • Florian Lütticke und Patrick Reichardt, Miami
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach seiner großen Comeback-Gala küsste Patrick Mahomes innig Freundin Brittany, herzte jeden seiner Teamkollegen und freute sich schon auf die Belohnung als Super-Bowl-Champion. »Das wollte ich schon mein ganzes Leben sagen: Ich fahre nach Disney World«, rief der Star-Quarterback der Kansas City Chiefs überglücklich. Traditionell besucht der NFL-Meister den Vergnügungspark in Florida. Mit einer Aufholjagd für die Football-Geschichtsbücher beim 31:20 über die San Francisco 49ers verdiente sich der nervenstarke Mahomes in einem packenden NFL-Finale den ersehnten Ausflug und beendete dabei auch den großen Titeltraum von Mark Nzeocha.

Wie versteinert stand der Franke beim größten Einzelsportereignis der Welt am Seitenrand und trauerte der Gelegenheit nach, als dritter Deutscher den Super Bowl zu gewinnen. Stattdessen wälzten sich Spieler von Kansas City nach dem ersten Triumph der Chiefs seit 50 Jahren wie kleine Kinder im rot-goldenen Konfetti auf dem Rasen des Hard Rock Stadiums von Miami. Sie wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten. »Es ist Magic Mahomes«, sagte Tight End Travis Kelce mit einem breiten Grinsen. »Es ist Showtime Mahomes. Er ist immer er selbst, egal wie es steht. Und, wisst ihr was? Ich liebe ihn.«

Bei diesen großen Gefühlen konnten auch die viel verspotteten Glückwünsche auf Twitter von Donald Trump die Freude nicht trüben. Der US-Präsident verortete Kansas City fälschlicherweise in den Bundesstaat Kansas, statt nach Missouri. Trump löschte den Tweet später und verschickte ihn berichtigt noch einmal.

An einem emotionalen Abend mit dem Gedenken an den vor Kurzem verstorbenen Basketball-Ikone Kobe Bryant vor der Partie und dem umjubelten Halbzeitpausen-Auftritt von Jennifer Lopez und Shakira sah es sieben Minuten vor Ende noch äußerst schlecht für die Chiefs aus.

10:20 betrug der Rückstand, Mahomes wackelte, bereits zwei seiner Pässe waren von den 49ers-Verteidigern abgefangen worden. Doch dann spielte der 24-Jährige unter höchstem Druck auf.

Mit zwei Touchdownpässen im Schlussabschnitt drehte Mahomes die Partie. Alleine in diesen Playoffs machten die Chiefs damit zum dritten Mal einen zweistelligen Rückstand wett. Das gelang noch keinem Team zuvor.

Da der Spielmacher im Auftaktviertel auch schon die ersten Chiefs-Punkte selbst per Lauf in die Endzone erzielt hatte, wurde er als jüngster Quarterback der Super-Bowl-Geschichte zum wertvollsten Spieler gekürt. »Mahomes hat sich in den Legendenstatus katapultiert«, schrieb die NFL auf ihrer Internetseite. »Dieser Junge ist unglaublich und er hat gerade erst angefangen«, schwärmte Chiefs-Coach Andy Reid. »Er wird immer noch besser werden.«

Die lange Karriere des 61 Jahre alten Trainer-Routiniers hatte ohne Titelkrönung zu enden gedroht. Dieser Makel ist nun beseitigt. »Ich bin so froh für Andy Reid, niemand verdient diese Trophäe mehr als er«, sagte Chiefs-Besitzer Clark Hunt. Mit 222 Siegen als Trainer steht der akribische Arbeiter Reid auf Rang sechs der ewigen NFL-Bestenliste. Der Premierentitel soll dabei nicht der einzige bleiben. »Wir brauchen einen weiteren«, verkündete er.

Die 49ers verpassten hingegen die Chance, mit ihrem sechsten Super-Bowl-Gewinn zu den Rekordsiegern New England Patriots und Pittsburgh Steelers aufzuschließen. San Franciscos Quarterback Jimmy Garoppolo erlaubte sich ebenfalls zwei Interceptions, zudem fehlte der Offensive der Mut. »Es ist schwer. Dieses Gefühl habe ich noch nie erlebt«, sagte der 28-Jährige tief enttäuscht im schwarzen Anzug nach der Partie. Bei den New England Patriots hatte Garoppolo schon zwei Super Bowls gewonnen, stand aber in den Finals als Ersatzmann von Superstar Tom Brady nicht auf dem Feld.

49ers-Trainer Kyle Shanahan erlitt hingegen seine zweite große Super-Bowl-Niederlage binnen vier Spielzeiten. Als Angriffstrainer der Atlanta Falcons erlebte er 2017 mit, wie sein Team gegen die Patriots sogar eine 28:3-Führung aus der Hand gab. Dementsprechend kritischen Fragen muss sich Shanahan nun stellen. »Wir lecken unsere Wunden und werden darüber hinwegkommen«, sagte der 40-Jährige. Damit sind die Shanahans noch nicht das erste Vater-Sohn-Duo, das jeweils den Super Bowl als Chefcoaches gewann. Mike Shanahan hatte die Denver Broncos zweimal zum Titel geführt.

Als deutsche Footballprofis sicherten sich weiterhin nur Sebastian Vollmer und Markus Koch den begehrten Siegerring für die Champions. Dabei hatte es lange nach einem Sieg für Nzeocha & Co. ausgesehen. Mit konzentriertem Blick stand der 30-Jährige bei der von der Schauspielerin und Sängerin Demi Lovato gesungenen US-Hymne kurz vor der Partie am Seitenrand. Direkt beim ersten Spielzug war Nzeocha auf dem Rasen. Vor allem wenn der Ball lang über das Feld getreten wurde, kam er bei San Francisco zum Einsatz.

Wie bei den Nzeochas in Miami herrschte auch in Rothenburg ob der Tauber große Tristesse. In der fränkischen Heimat verfolgten mehr als 100 Menschen das größte Footballspiel des Jahres live. »Die Enttäuschung war greifbar zum Schluss«, sagte Philipp Kimmelmann, der Nzeocha bei den Franken Knights als erster Jugendtrainer im körperlosen Flag-Football begleitete. Auch der Chefcoach der Knights, Jörg Seybold, hätte sich für Nzeocha ein besseres Ende gewünscht. dpa/nd

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