Alba Berlin schrumpft sich glücklich

Berlins Basketballer finden mit heruntergeschraubten Ambitionen in Europa zurück in die Erfolgsspur

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 4 Min.
Albas Justin Bean (am Ball) steuerte am Dienstag zehn Punkte und vier Rebounds zum Sieg gegen BC Sabah bei.
Albas Justin Bean (am Ball) steuerte am Dienstag zehn Punkte und vier Rebounds zum Sieg gegen BC Sabah bei.

Die Spekulation vor der Saison war durchaus riskant. Nach sechs Jahren in der Euroleague, der Königsklasse des europäischen Basketballs, entschied sich die Führungsetage von Alba Berlin im Sommer für einen Schlussstrich. Anstatt sich von den Topklubs aus Spanien, Frankreich, Griechenland und der Türkei regelmäßig aus der Halle schießen zu lassen (in den vergangenen beiden Euroleague-Spielzeiten wurde Berlin mit fünf Siegen aus 34 Spielen zweimal krachend Letzter), wagte Alba einen Neuanfang in der – anders als im Fußball – zweitklassigen und deutlich weniger lukrativen Basketball Champions League (BCL).

Zwar machten die fehlenden Euroleague-Einnahmen im Sommer einen drastischen Kaderumbau nötig, bei dem Alba viel Qualität abgeben musste. Durch die geringere Anzahl an Champions-League-Spielen sollte das runderneuerte Berliner Team dafür aber mehr Zeit zum Trainieren bekommen, fitter sein, und durch die schwächeren BCL-Gegner auch wieder mehr Erfolgserlebnisse einfahren.

Erinnerungen an die Aufbruchstimmung vor sieben Jahren

Bisher scheint die Spekulation der Alba-Bosse voll aufzugehen. Nach einem zunächst noch durchwachsenen Saisonstart gewannen die Berliner zuletzt elf Pflichtspiele in Folge, inklusive des Prestigeduells gegen Meister Bayern, und kletterten in der Bundesliga bis auf Platz fünf. Die Siegesserie endete zwar am Sonntag bei den Hamburg Towers. Doch schon am Dienstagabend gab es wieder gute Nachrichten: Mit einem 106:82-Heimsieg im sechsten und letzten Champions-League-Vorrundenspiel gegen BC Sabah aus Aserbaidschan sicherte sich Alba als Sieger der Gruppe B die direkte Qualifikation für die Runde der besten 16 Teams.

»Ich möchte meinen Spielern zu einem tollen Teamerfolg gratulieren. Nach einer schwierigen Partie in der Bundesliga haben wir heute Charakter gezeigt«, freute sich Alba-Trainer Pedro Calles über die Reaktion seines Teams auf die Niederlage in Hamburg. Sportdirektor Himar Ojeda ging nach dem Spiel sogar noch weiter: »Die Stimmung, die wir jetzt haben, ist ein bisschen wie vor sieben, acht Jahren. Jeder Spieler auf unserer Bank freut sich für jeden Mitspieler, egal ob die jungen reinkommen, oder die älteren auf dem Feld stehen.«

In der Champions League ist Alba das Topteam

Viel größer könnte Ojedas Lob nicht sein, denn vor sieben Jahren formierte sich ein Team rund um Alba-Legende Johannes Thiemann, das ab 2020 dreimal hintereinander die deutsche Meisterschaft holte. So weit sind die Berliner zurzeit noch nicht, das zeigte sich auch am Dienstag. In den ersten beiden Vierteln war der Gegner aus Baku besser, führte vor den 8965 Fans in der Arena am Ostbahnhof zur Pause verdient mit vier Punkten. Doch Alba kam mit viel mehr Energie aus der Kabine. Das dritte Viertel ging mit 33:12 an die Berliner, die den Sieg danach im Schlussabschnitt ungefährdet nach Hause bringen konnten.

Das Spiel gegen Sabah war damit auch eine Art umgekehrte Blaupause der vergangenen Jahre. Noch in der letzten Saison waren es oft die Berliner, die in der Euroleague zu Beginn gut mithalten konnten, in den entscheidenden Spielphasen aber abreißen lassen mussten. In der Champions League sind es nun sie, die Partien zu ihren Gunsten drehen, was für Alba-Center Norris Agbakoko auch am besonderen Zusammenhalt im Team liegt: »Ich glaube, das ist eine extreme Stärke, die man sich auch nicht unbedingt antrainieren kann, wie wir uns im Spielverlauf den Rücken stärken und wieder einen Weg ins Spiel finden.«

In der zweiten Gruppenphase warten härtere Gegner

Tatsächlich wirken die Berliner dieser Tage so harmonisch wie lange nicht. Die Hierarchie im Team ist klarer: Spielmacher Martin Hermannsson und Dauerarbeiter Justin Bean gehen mit Erfahrung voran und werden dabei von den Ur-Berlinern Jonas Mattisseck und Malte Delow unterstützt, die nach dem Umbruch im Sommer wieder mehr Spielzeit erhalten. Dazu kommt ein ganzer Haufen junger, hungriger Profis, die den offensiven Spielstil von Pedro Calles inzwischen immer besser verinnerlichen.

Weil der spanische Alba-Trainer auch noch Talente aus der Alba-Jugend hochzieht – gegen Sabah durften sich der 17-jährige Mathéo Hermann und der 18-jährige Richard Schmitt in den letzten Minuten über ihre ersten Champions-League-Punkte freuen –, erinnert wirklich einiges an die Aufbruchstimmung vor sieben Jahren. Wie lange sie anhält, wird sich auch in der BCL zeigen. In der zweiten Gruppenphase, die Mitte Januar beginnt, steht mit AEK Athen bereits ein deutlich namhafterer Gegner für die Berliner fest. Doch zurzeit überwiegt bei Alba erst mal die Freude, dass es endlich wieder einen Erfolg in Europa zu vermelden gibt – genau so hatte es sich die Vereinsführung vor der Saison schließlich gewünscht.

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