Durchfahrt verboten

Mit Diagonalsperren sollen in Pankow mehrere Kieze vom Verkehr entlastet werden

  • Jonas Wagner
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Verkehrswende kommt von unten - zumindest im Berliner Nordosten. Denn in Pankow entwickeln Bürger*innen gemeinsam mit mehreren Initiativen Ideen für eine umweltfreundlichere Stadt, in der nicht mehr das Auto im Mittelpunkt steht, sondern die Lebensqualität und Sicherheit der Bevölkerung.

Das Schlüsselkonzept dafür sollen sogenannte »Kiezblocks« sein. Dabei schielen die engagierten Bürger*innen des Berliner Bezirkes auf das spanische Barcelona. Denn die katalanische Hauptstadt macht seit 2017 mit innovativen Maßnahmen Schlagzeilen. In einigen schachbrettartig angelegten Vierteln hat die Stadtregierung mehrere Häuserblocks - meistens neun - zu einer Einheit zusammengefasst: dem Superblock. Um ihn herum führen Durchgangsstraßen, die als Hauptverkehrsadern dienen. Doch auf den Straßen innerhalb des Superblocks können Autos immer nur in eine Richtung abbiegen - und nur langsam fahren. Parkplätze am Straßenrand sind hier auch Fehlanzeige. Überdies ist die Einfahrt für den individuellen motorisierten Verkehr verboten, mit Ausnahmen für Anwohner*innen, Lieferant*innen, Müllabfuhr und Notfallfahrzeuge. Dadurch kommt der Durchgangsverkehr im Quartier zum Erliegen. Das Resultat: weniger Lärm, bessere Luft - und mehr Platz für Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und Kinder.

Um vergleichbare Ideen auch für Pankow zu entwickeln, hatten mehrere Initiativen kürzlich zu einem Workshop eingeladen. Von etwa 80 Teilnehmer*innen berichtet Ragnhild Sørensen, Sprecherin von »Changing Cities«. Gemeinsam mit anderen Organisationen hatte der aus dem Radentscheid hervorgegangene Verein die Veranstaltung auf die Beine gestellt. Sørensen ist begeistert vom Interesse und Engagement der Bürger*innen: »Seit dem Volksentscheid Fahrrad habe ich so etwas nicht erlebt, das ist wirklich irre.«

Die Anwohner*innen wollen Nebenstraßen in zwölf Pankower Kiezen umgestalten. Dass die Autos Spielplätzen und Blumenkübeln weichen, wie es in Barcelona der Fall ist, davon wagt Sørensen noch nicht zu träumen. »Die Grundidee ist, mit niedrigschwelligen Sachen anzufangen«, erklärt sie. Konkret meint sie damit vor allem Diagonalsperren, die den Durchgangsverkehr abhalten. Fünf bis sieben Poller auf einer Kreuzung reichten dafür schon aus, so die Sprecherin. Kein großer Aufwand also.

In einem nächsten Schritt wollen die Teilnehmer*innen des Workshops nun durch die Straßen ihrer jeweiligen Kieze ziehen und sich »angucken, ob das umsetzbar ist«, erklärt Sørensen das weitere Vorgehen. Als Vorbild diene hier beispielsweise der Friedrichshainer Samariterkiez, wo der Bezirk im vergangenen Jahr einige Diagonalsperren montiert hat. Der Sprecherin ist aber auch klar, dass Verkehrswende nicht heißen kann, einfach nur Poller auf Kreuzungen zu montieren. »Wir brauchen die geschützten Radwege auf den Hauptstraßen«, betont sie. Denn dort sei durch die »Kiezblocks« mit mehr Autoverkehr zu rechnen. Die Aktivistin sieht hier den Senat in der Pflicht, der auch wegen des Mobilitätsgesetzes die Radinfrastruktur verbessern müsse.

Noch eine andere Sache ist Sørensen sehr wichtig: mit den Leuten vor Ort zu sprechen. »Da braucht man auch noch ein bisschen Kommunikation«, befindet sie. Vor allem, um die Menschen von den Vorteilen weitgehend autofreier Quartiere zu überzeugen.

Am 12. Februar sollen die Ideen den Entscheidungsträger*innen des Bezirks Pankow vorgelegt werden. Dieser zeigt sich prinzipiell offen für Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Denn Bezirksbürgermeister Sören Benn (LINKE) selbst spricht sich für die Sperrung von Nebenstraßen für den Durchgangsverkehr aus, unter anderem im Winsviertel. Überdies möchte er nach und nach die Parkflächen in den Nebenstraßen abschaffen (»nd« berichtete).

Diese Maßnahmen könnten dabei helfen, die Verkehrssicherheit besonders von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zu erhöhen. Denn gerade die sind in ganz Berlin besonders gefährdet. So erzählte etwa Markus bei der Mahnwache für einen getöteten Fußgänger in der Kreuzberger Adalbertstraße im Januar, er habe Angst um sich und seine Familie: »Ich will nicht der Nächste sein, der stirbt.« Das Problem sei die schiere Verkehrsmenge. Ihm ist allerdings auch klar: »40 Jahre autozentrierte Politik dreht man nicht in zehn Jahren zurück.« Und auch nach Ansicht von Henning, ebenfalls Teilnehmer der Mahnwache, ist die Stadt viel zu voll. Man müsse rücksichtsvoller miteinander umgehen und auf den Straßen mehr Geduld vorleben.

Zur Verkehrssicherheit beitragen, zumindest ein bisschen, könnten auch die Anfang Januar von der Verkehrsverwaltung angekündigten Sofortmaßnahmen. Nach zwei tödlichen Unfällen in Kreuzberg zu Beginn des Jahres prüft die Verwaltung aktuell die Einführung von Tempo 30 in der Adalbertstraße und eine geänderte Ampelschaltung sowie umgebaute Radwege am Kottbusser Tor. Die Prüfungen sollten bald abgeschlossen sein, teilt eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung dem »nd« auf Anfrage mit. »Wir sind da wirklich mit Hochdruck dran«, so die Sprecherin.

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