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Es brodelt im Untergrund

Beim Richtfest für den U-Bahnhof Museumsinsel geht es auch um Konfliktthemen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir dachten, wir schaffen es nicht, aber am Ende ist es doch gelungen«, sagt Jörg Seegers, technischer Geschäftsführer der BVG Projekt GmbH, die für den Bau der Verlängerung der U5 vom Alexanderplatz zum Hauptbahnhof zuständig ist. Anlass ist das Richtfest für den U-Bahnhof Museumsinsel am Montagvormittag. »Geschafft haben wir es, weil so viele Tag und Nacht im Einsatz waren, um diesen Rohbau fertigzustellen«, so Seegers weiter. Es war wohl das schwierigste Bauwerk der ganzen Neubaustrecke. Gelegen unter dem Spreekanal, dem Nachbau der Alten Kommandantur sowie dem Boulevard Unter den Linden, begann der Bau des eigentlichen Bahnhofs erst, als die Tunnelvortriebsmaschine Bärlinde den eigentlichen Streckentunnel bereits gebohrt hatte.

Zunächst mussten 28 000 Kubikmeter des Bodens vereist werden. 80 Tage lang wurde dafür minus 37 Grad kalte Salzlösung durch die knapp 100 Vereisungsrohre rund um den künftigen Bahnhof geleitet. Anschließend wurden die Röhren für den Bahnhof unterirdisch gegraben, der Eiskörper mit Hilfe von Fernwärme wieder aufgetaut. Alles hat fast reibungslos geklappt, trotzdem wird der Bahnhof, den über den Gleisen als Reminiszenz an den preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel ein LED-Sternenhimmel auf dunkelblauem Grund zieren wird, erst 2021 eröffnen. Zur geplanten Eröffnung der durchgehenden U5 von Hönow bis zum Hauptbahnhof Ende dieses Jahres werden die Züge ohne Halt durchfahren.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) lobt das »spektakuläre Bauwerk« und nennt die U-Bahn-Verlängerung »verkehrspolitisch einen großen Schritt nach vorne«. 150 000 Fahrgäste pro Tag werden auf der Strecke erwartet. Das sei »ein gutes Beispiel auch für andere Stellen in der Stadt, was möglich ist«, macht er Werbung für weitere U-Bahn-Strecken. Im Gegensatz zu ihren Koalitionspartnern Linke und Grüne macht sich die SPD seit einiger Zeit für einen weiteren Ausbau stark. Dementsprechend lächelt Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), die mit auf der Bühne steht, und schweigt. Ein Redebeitrag von ihr ist nicht vorgesehen.

Für Irritationen in der Koalition sorgt die Haltung der Senatsverkehrsverwaltung zum Vorschlag des Fahrgastverbands IGEB, langfristig eine dritte Innenstadtstrecke der S-Bahn unter Kreuzberg zu etablieren. Man halte den Vorschlag für interessant, jedoch »andere Projekte für dringender«, erklärt Verwaltungssprecher Jan Thomsen auf nd-Anfrage.

»Die Senatsverwaltung muss auf jeden Fall im Dialog bleiben«, fordert Kristian Ronneburg, Verkehrspolitiker der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Mich würde interessieren, nach welchen qualitativen Kriterien innerhalb von zwei Tagen die Entscheidung getroffen wurde, dass es keinen Bedarf gibt«, sagt Tino Schopf von der SPD. Die IGEB hatte am Sonntag klargestellt, dass es nicht um ein dringendes Projekt gehe, sondern die Möglichkeit zu einer Realisierung in den nächsten Jahrzehnten nicht leichtfertig verbaut werden sollte. Der Verein fordert eine Untersuchung zu Machbarkeit und verkehrlichem Nutzen. »Erst wenn das geschehen ist, kann die Verkehrsverwaltung ein qualifiziertes Urteil abgeben«, so die Mitteilung.

Der BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt schneidet beim Festakt das zweite heiße Eisen dieser Tage an. »Wir bieten auch Fahrten mit dem Berlkönig an«, sagt er auf dem Podium. »Wir möchten damit weitermachen.« Kürzlich hatte der »Tagesspiegel« als erster darüber berichtet, dass der Sammeltaxidienst, der in der östlichen Innenstadt betrieben wird, Ende April abgewickelt werden könnte. Denn obwohl die Konzession für den im September 2018 gestarteten Versuchsbetrieb für vier Jahre erteilt wurde, schlossen die Berliner Verkehrsbetriebe den Vertrag mit dem ViaVan für die Betriebsdurchführung nur für anderthalb Jahre. »Bis dato war uns gar nicht mitgeteilt worden, dass die Kooperation verlängert werden müsste«, sagt Kristian Ronneburg. »Vor dem Hintergrund haben wir dringende Fragen an die BVG.« Am Donnerstag ist ein Gespräch dazu angesetzt. Die Verkehrsverwaltung habe den Pilotversuch bis zum Herbst 2022 genehmigt, allerdings »mit dem Verständnis, dass die Kosten für die gesamte Erprobungsphase von den Partnern ViaVan und BVG getragen werden«, sagt auch Behördensprecher Thomsen.

Nun will das Joint Venture von Mercedes-Benz AG und dem US-amerikanischen Technologieunternehmen Via für den Dienst allerdings Geld sehen. Für ein Angebot innerhalb des gesamten Stadtgebiets fordert die BVG nach nd-Informationen einen Zuschussbedarf von 43 Millionen Euro jährlich. das ist fast ein Fünftel der Summe, die derzeit für die reine Fahrleistung von U-Bahn, Tram und Bussen fließen.

»Kernkompetenz der BVG ist nicht das Erbringen taxiähnlicher Leistungen«, erklärt der SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf. Er werde sich nicht zum Steigbügelhalter machen, um die Zukunft von 16 000 Taxifahrern in Berlin zu gefährden.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es. Die geplanten Baukosten von 525 Millionen Euro für die aktuelle Verlängerung der U5 würden voraussichtlich nur um wenige Prozent überschritten, teilt die BVG Projekt GmbH mit.

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