Kurzer Prozess mit Staatsanwälten

Österreichischer Kanzler geriet in den Verdacht, die Justiz beeinflussen zu wollen

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Sebastian Kurz ist Stratege. Und wenn er etwas sagt, fällt es schwer zu glauben, dass er das ohne Grund tut. Was sich der österreichische Kanzler und Chef der konservativen ÖVP dieser Tage aber leistet, wirkt hastig, übereilt und unschlüssig. Nur, ist es das?

Wie zuerst die Wochenzeitung »Falter« berichtete, soll Kurz in einem als vertraulich eingestuften »Hintergrundgespräch« mit Journalisten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) massiv angegriffen haben - weil sie einen Fall von Regierungskriminalität untersucht und das - nach Auffassung des Kanzlers - einseitig. Kurz ist der Ansicht, dass die WKStA von sozialdemokratischen Netzwerken unterwandert sei. Diese würden gezielt gegen ÖVP-nahe Kreise ermitteln, Verfahren bewusst lange hinziehen und Akten Medien zuspielen. Fälle seien ihm zu Ohren gekommen, sagte Kurz später; »hochrangige Journalisten« hätten ihm gegenüber bestätigt, dass ihnen Akten von der WKStA gezielt weitergeleitet worden seien. Um welche Journalisten es sich handelt, die hirnverbrannt oder in zu großer menschlicher Nähe einem politischen Akteur ihre Quellen preisgaben, ist dabei nur ein Randfrage. Vielmehr geht es in der Debatte über Kurz’ Äußerungen um die Unabhängigkeit der Justiz.

Kurz beruft sich bei all dem auf ein SPÖ-internes Papier aus dem Jahr 1997, wonach die SPÖ damals versuchte, mehr Parteimitglieder zur Richterkarriere zu motivieren. Dass das Justizressort seit 1983 mit einer zweijährigen Unterbrechung (2007/2008) in der Hand der ÖVP, der FPÖ oder Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ, eine FPÖ-Abspaltung) war, lässt der konservative Kanzler dabei nicht gelten. Solche Netzwerke würden lange wirken, sagt er.

Seitens der SPÖ hagelte es Kritik. Die Attacken des Kanzlers auf die WKStA seien brandgefährlich. Die Staatsanwaltschaft ihrerseits wies jegliche Vorwürfe zurück. Und auch die in der türkis-grünen Regierung unlängst ins Amt gekommene Justizministerin Alma Zadic von den Grünen stellte sich vor die Behörde.

Schließlich gab es am Montag einen Runden Tisch, eine Aussprache mit der WKStA und eine Einigung darauf, Verfahren zu beschleunigen, Akten zu digitalisieren um ihre Weitergabe nachvollziehbarer zu machen und den Rechtsschutz bei Hausdurchsuchungen zu stärken. Budgetäre Punkte - also eine Aufstockung von Mitteln, um eben Verfahren zu beschleunigen - wurden allerdings nicht besprochen. Und auch nach dieser Aussprache erneuerte Kurz seine Vorwürfe. Hinzu kam ein ÖVP-internes Memo zu dem Thema um die Wortwahl in der Sache zu eichen. Schließlich feuert jetzt die ganze Partei auf die Justiz: Schnellere Verfahren müsse es geben, die SPÖ habe die Staatsanwaltschaft unterwandert.

Tatsächlich haben WKStA und ÖVP keinen guten Stand. Letzter Anlass zur Zwietracht: die Casinos-Affäre. Dabei geht es um die Bestellung von Parteifreunden in den Vorstand der staatlichen Casino-Gesellschaft, Gesetzeskauf und die Vergabe von Glücksspiellizenzen. Ursprünglich stand die FPÖ in der Sache in der Kritik. Es war die WKStA, die der Affäre dann mit einem Schlag einen blau-türkisen Anstrich verpasst. Sie ordnete Hausdurchsuchungen bei Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll, der Österreichischen Beteiligungs-AG sowie Aufsichtsratspräsident und Raiffeisen-General Walter Rothensteiner an. Letztlich gelangten Chats in die Öffentlichkeit, die erahnen lassen, dass ÖVP-Kreise in die Machenschaften rund um die Casinos-AG tief verstrickt waren. Zu guter Letzt prüfte die WKStA unlängst milliardenschwere Spender aus dem Umfeld der ÖVP.

Mit seinem Hintergrundgespräch verfolgte Kurz wohl vor allem ein Ziel: Er wollte vermutlich medial den Boden bereiten für einen Schlag gegen die WKStA. Blöd nur, dass ihm der »Falter« dazwischenkam. Doch Kurz macht seinem Ruf alle Ehre - er weiß die politische und mediale Klaviatur Österreichs zu bespielen wie kein Zweiter: Er griff das Thema auf, berief den Runden Tisch ein, präsentierte sich als Problemlöser ohne konkrete Maßnahmen zu verabschieden. Und schließlich hat er, was er wollte: Seinen Feldzug gegen die WKStA - nur vielleicht etwas früher als ursprünglich geplant.

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