Naziterror mitten in Deutschland

Für Christian Klemm haben Sicherheitsbehörden und AfD eine Mitschuld an dem Anschlag von Hanau

Lange haben Neonazis von einem »Rassenkrieg« geredet. In Chatgruppen, Onlineforen und konspirativen Treffen hat man ihn durchgespielt; man hat Waffen gehortet und sich verabredet, um endlich loszuschlagen. Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) und dem Anschlag auf die Synagoge und den Dönerimbiss von Halle hat der rechte Terror mit der Bluttat von Hanau einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Sicherheitsbehörden haben die Naziterroristen lange Zeit am unteren Ende ihrer Prioritätenliste geführt. Ganz oben standen andere: neben »linken Gewalttätern« vor allem sogenannte islamistische Gefährder. Die galten seit den Anschlägen von 11. September 2001 in den USA auch in Deutschland als Bedrohung Nummer Eins.

Fakt ist: Im Schatten der Anti-Islam-Hysterie haben sich Netzwerke entwickelt, die zum »totalen Krieg« bereit sind. Ihre Ziele sind »afrikanische Invasoren«, »linksgrün-versiffte Journalisten«, Juden, Muslime und Jugendliche mit bunten Haaren. Letztlich jeder, der nicht in ihr rassistisches Weltbild passt. Das Ergebnis ist der Anschlag von Hanau – die verheerendste rechte Gewalttat seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik.

Neben dem Versagen des Sicherheitsapparates haben auch rechte Bewegungen wie Pegida und »Pro NRW«, Identitäre, die Kampagne »Ein Prozent« und viele andere den Naziterroristen Schützenhilfe geleistet und ihnen Stichworte geliefert. Nicht zuletzt sorgen AfD-Vertreter wie Björn Höcke, Alexander Gauland und Andreas Kalbitz mit ihren ständigen Ausfällen dafür, dass sich das gesellschaftliche Klima Stück für Stück nach rechts verschiebt. Ob »Vogelschiss« oder »Denkmal der Schande« – ein Tabubruch jagte den nächsten. Und auch Horst Seehofer hetzte gegen Migranten – auch wenn er sich jetzt als Pendant zu Höcke und Co. aufspielt. 2011 etwa sagte der damalige CSU-Vorsitzende, die Bundesregierung werde sich »bis zur letzten Patrone« dagegen wehren, dass »wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen«.

Das Unsagbare wurde allmählich zum Sagbaren, das scheinbar Unmögliche zum Möglichen. Nazis fühlen sich ermutigt, ihren Hass nicht nur in irgendwelchen Kneipen mit geblümter Tapete, sondern auch auf dem Dresdener Neumarkt oder vor dem Karl-Marx-Denkmal in Chemnitz auszusprechen. Reden war ihnen irgendwann nicht mehr genug. Sie wollen ihren Rassismus in die Tat umzusetzen. Das Ergebnis sind die Todesopfer in der Multikulti-Hochburg Hanau.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal