• Politik
  • Russisch-türkische Einigung zu Syrien

EU begrüßt von Russland und Türkei vereinbarte Waffenruhe in Syrien

Europäer hoffen auf Wege für humanitäre Hilfe für Bevölkerung in Idlib / Bündnis Entwicklung Hilft fordert Ende des »schäbigen Flüchtlingsabkommens zwischen EU und der Türkei«

  • Lesedauer: 4 Min.

Zagreb. Die EU hat die zwischen Russland und der Türkei vereinbarte Waffenruhe im Nordwesten Syriens begrüßt. »Die Waffenruhe ist eine gute Nachricht«, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Freitag bei einem Sondertreffen der EU-Außenminister im kroatischen Zagreb. Es müsse gesehen werden, ob sie auch halte. Der Schritt zeige aber »zumindest guten Willen«. Eine funktionierende Waffenruhe sei Voraussetzung, um den Menschen in der nordwestsyrischen Provinz Idlib humanitäre Hilfe zu leisten.

Der russische Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatten sich am Donnerstag auf eine Feuerpause für Idlib geeinigt. Moskau steht in dem Konflikt an der Seite der syrischen Regierungstruppen, deren Gegner werden teilweise von der Türkei unterstützt. Durch die Kämpfe der vergangenen Wochen sind nach UN-Angaben knapp eine Million Menschen in die Flucht getrieben worden.

Das Wichtigste sei jetzt, sich auf die humanitäre Hilfe für Bevölkerung und Flüchtlinge in Nordwestsyrien zu konzentrieren, sagte Estlands Außenminister Urmas Reinsalu. Er hoffe, dass Russland in der Provinz Idlib mehr humanitäre Korridore für die Versorgung der Menschen zulasse.

Litauens Außenminister Linas Linkevicius forderte, die EU müsse mit allen Akteuren des Konflikts sprechen. »Wir haben das Potenzial, mehr zu tun«, sagte er. Die Waffenruhe sei eine Chance, »die Situation ruhig zu diskutieren, um eine friedliche Lösung zu finden«.

Bündnis fordert europäischen Kurswechsel

Das Bündnis Entwicklung Hilft zeigt sich über die Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Provinz Idlib und die katastrophalen Folgen für die Menschen sehr besorgt und verurteilt die »deutsche und europäische Tatenlosigkeit«.

Seit dem Vormarsch der Assad-Truppen im Dezember 2019 seien nach Angaben der UN rund 948.000 Menschen vor den massiven Kampfhandlungen geflohen. Über 80 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder. Die Aufnahmecamps in der Region seien völlig überfüllt, Menschen könnten sich nur unter Plastikplanen vor der Kälte und dem Regen schützen: Die Versorgung der Flüchtlinge ist längst nicht mehr gesichert. Es mangelt an Nahrungsmitteln, Unterkünften, Wasser, Medikamenten, Heizmaterial und sanitären Einrichtungen. An der syrisch-türkischen Grenze harren knapp eine Million Menschen aus. »Sie sind buchstäblich gefangen, sie können weder vor noch zurück. Und die Not setzt sich an der türkisch-griechischen Grenze fort«, erklärt Wolf-Christian Ramm, Vorstandsvorsitzender von Bündnis Entwicklung Hilft. Nach der einseitigen Grenzöffnung durch die Türkei warten hier tausende Menschen in der Hoffnung, die Grenze doch noch überqueren zu können und in der EU sichere Zuflucht zu finden.

Das Bündnis Entwicklung Hilft fordert eine Revision des »schäbigen Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei« und einen sicheren Zugang der Flüchtlinge in europäische Aufnahmeländer. »Menschenrechte werden seit Jahren an den EU-Außengrenzen mit Füßen getreten. Damit muss Schluss ein. Die EU muss sich endlich auf ein funktionierendes System zur Aufnahme von Schutzsuchenden verständigen«, so Wolf-Christian Ramm. Es kann keine Option sein, die Augen weiter vor den dramatischen Zuständen in sämtlichen Lagern zu verschließen und dabei Grundwerte wie Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf Asyl über Bord zu werfen. Anstatt Griechenland 700 Millionen für die Grenzsicherung zuzusagen, sollte die EU dieses Geld für die Versorgung der Flüchtlinge zur Verfügung stellen. »Die Bundesregierung sollte jetzt ein Zeichen setzen und Schutzbedürftige aus den Lagern aufnehmen.«

Brot für die Welt, Christoffel-Blindenmission, DAHW, Kindernothilfe, medico international, Misereor, Plan International, terre des hommes, Welthungerhilfe sowie die assoziierten Mitglieder German Doctors und Oxfam leisten als Bündnis Entwicklung Hilft akute und langfristige Hilfe bei Katastrophen und in Krisengebieten.

Kinderschutzbund fordert Aufnahme von Flüchtlingen von griechischer Insel Lesbos

Der Deutsche Kinderschutzbund hat die Aufnahme von Flüchtlingen von der griechischen Insel Lesbos gefordert. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse seine »Blockadehaltung« gegen die Aufnahme von geflüchteten Kindern und ihren Familien aufzugeben, erklärte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, am Freitag in Berlin. Demnach harren etwa 7000 Kinder im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos aus.

Die Zustände in dem Flüchtlingslager seien »eine Schande für die Europäische Union«, erklärte Hilgers. In Moria werde die medizinische Versorgung ausschließlich durch Hilfsorganisationen geleistet. Kaum ein Kind dort besuche eine Schule. »Den Kindern werden ihre verbrieften Rechte auf Gesundheit und Bildung vorenthalten.«

Der Kinderschutzbund räumte ein, die Bemühungen der Bundesregierung um eine multilaterale Lösung würden anerkannt. Doch dauerten diese bereits mehrere Monate an. »Den Kindern dort läuft die Zeit davon«, warnte Hilgers. Zahlreiche Kommunen und Bundesländer hätten sich bereit erklärt, Flüchtlinge von der Insel Lesbos aufzunehmen und ihnen in Deutschland ein zügiges und sicheres Asylverfahren zu gewähren. Agenturen/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal