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Sorge vor dem Massenanstieg

Der südliche Teil Asiens hat sich in der Krise bisher gut behauptet - jetzt steigen auch dort die Fallzahlen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Weit über 200 000 Infektionen mittlerweile weltweit, in Indien mit seinen 1,3 Milliarden Menschen waren es Stand Donnerstag nur 166 - der Subkontinent ist bisher noch glimpflich durch die sich zuspitzende Coronakrise gekommen. Dass das nicht ganz so bleiben wird, ist allen klar. Und am Abend wandte sich auch Premier Narendra Modi mit einer Rede an seine Landsleute, in der er dazu aufrief, das Haus nur noch zu verlassen, wenn es absolut notwendig ist. Die merken trotz der noch geringen Fallzahlen die Auswirkungen sehr wohl. »Hier sind jetzt alle Schulen, Universitäten, Kinos, Einkaufszentren und Läden bis 31. März geschlossen«, schrieb Sam Kalwala, Pfarrer und Sozialaktivist aus der Kleinstadt Sircilla im zentralindischen Bundesstaat Telangana, am Mittwoch in einer Nachricht an den Autor. Einzelmaßnahmen sind andernorts, vor allem den größten Metropolen Mumbai und Delhi, schon seit mehreren Tagen in Kraft. Empört zeigte sich die Chefministerin von Westbengalen, Mamata Banerjee: Der 18-jährige Sohn einer hohen Verwaltungsbeamtin, die an zahlreichen Konferenzen teilnahm, war infiziert von seiner Universität in England heimgekehrt, hatte verordnete Tests aber geschwänzt.

Mit millionenfachen Fiebertests an den Grenzübergängen und auf den Flughäfen hatte das Land bislang das Einschleppen des Virus von außen noch weitgehend unterbinden können. Inzwischen gibt es vermehrt Infektionsketten vor Ort und auch erste Todesfälle. Am Mittwoch hatte das Innenministerium alle paramilitärischen Hilfstruppen, die vor allem für Grenzschutzaufgaben im Einsatz sind, offiziell in den Alarmzustand versetzt. Die Staatsbahn strich am Donnerstag 84 weitere Zugverbindungen, nun insgesamt 155. Mit dem Wegfall von Konzessionen soll das Passagieraufkommen weiter abgesenkt werden. Premier Modi ging sogar den Schritt, eine Videokrisenkonferenz auf Regierungsebene zwischen den Mitgliedern des regionalen Staatenverbandes Südasiatischen Vereinigung für regionale Kooperation einzuberufen. Da war, wenngleich statt mit Premier Imran Khan nur mit einem Berater mittleren Ranges, sogar Erzfeind Pakistan dabei.

Der hat noch vor Indien mit 341 die meisten Infizierten. Am Donnerstag stiegen die Zahlen deutlich an: 211 Fälle in Sindh, 45 in Belutschistan (erklärbar vor allem mit der Nähe zum besonders stark betroffenen Iran), 34 in Khyber-Pakhtunkhva, 33 im Punjab, zwei in der Hauptstadt Islamabad und 16 im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs. Während in der größten Metropole Karatschi am Donnerstag alle Kirchen der christlichen Minderheit Gottesdienste und andere Veranstaltungen absagten, hatte Imran Khan in einer Ansprache am Dienstag zwar von einer ernsten Lage und einer möglichen Überbelastung des Gesundheitssystems geredet, die Abriegelung ganzer Städte aber ausgeschlossen. In einzelnen Medien wird dem Premier bereits Führungsversagen vorgeworfen. Noch nicht einmal eine Krisenkonferenz mit den Provinzchefs habe er für nötig befunden.

In Sri Lanka sprach die Gesundheitsministerin am Mittwoch von nun 50 Fällen. Bereits zuvor hatte die Regierung für 14 Tage die Landung von Flügen untersagt, Zwangsferien wurden verhängt, lokal gelten erste Ausgangssperren. Donnerstag hieß es, dass auch die Parlamentswahl vom 25. April verschoben werde.

Wer noch auf einem der reduzierten Flüge nach Thailand mitkommen will, muss vor dem Einstieg ein Attest vorlegen, egal, ob Thai oder Ausländer. Trotz zahlreicher Maßnahmen stieg die Infiziertenzahl im Land am Donnerstag auf 272, weil sich viele nicht an Auflagen halten. Die große Sorge ist, dass gerade das bevorstehende Songkran-Neujahrsfest zusätzliche Verbreitung auslösen könnte.

In Malaysia, bisher das am stärksten betroffene Land Südostasiens, hat die Regierung des neuen Premiers Muhyiddin Yassin den Bewegungsspielraum der Bürger für mindestens 14 Tage massiv eingeschränkt. Selbst zwischen den Bundesstaaten dürfen Reisen nur noch im Ausnahmefall stattfinden, die Polizei verschärft die Kontrollen. Rund zwei Drittel der nun über 900 Infizierten gehen auf eine Versammlung in einer Moschee vor einigen Tagen mit 16 000 Teilnehmern zurück. Dass in Indonesien trotz Verboten ähnliche Massenveranstaltungen immer noch stattfinden, sorgt jenseits der Grenze für Kopfschütteln. Derweil wird beraten, wie für 300 000 Malaysier, die im benachbarten Stadtstaat Singapur arbeiten, temporäre Unterkünfte gebaut werden können. Auf den Philippinen hatte Präsident Rodrigo Duterte schon frühzeitig die Hauptstadt Manila quasi unter Quarantäne gestellt, inzwischen sind weitere Anordnungen in Kraft.

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