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Wenn Konzerne keine Miete zahlen

Ein Schlupfloch im Gesetz könnte Immobilienfirmen und Banken hart treffen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun soll alles doch nur ein Missverständnis gewesen sein. Große Handelsketten wie Adidas, Deichmann und Konsorten wollten die Miete für ihre Ladengeschäfte nicht mehr zahlen, hieß es Ende vergangener Woche. Dies hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Mehrere Bundesminister, der Deutsche Mieterbund und der Eigentümerverband Haus & Grund kritisierten das Vorgehen scharf. Nach dem folgenden PR-Desaster ruderten die Konzerne zurück: Man wolle lediglich mit den Vermietern ins Gespräch kommen und keinesfalls die neuen rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen.

Besonders empört zeigte sich sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD): »Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.« Das Corona-Hilfspaket böte dafür keine rechtliche Grundlage. Kritiker bemängeln jedoch handwerkliche Fehler, die der Bundesregierung unterlaufen seien. Angesichts der komplexen Herausforderungen und des zeitlichen Drucks scheinen solche Mängel allerdings kaum vermeidbar.

Der Bundestag hatte vergangene Woche im Eiltempo ein Gesetzespaket verabschiedet, mit dem die wirtschaftlichen Folgen von Corona abgemildert werden sollen. Wesentlicher Bestandteil sind Regelungen zu Mietzahlungen. Wenn infolge der Pandemie Zahlungen nicht rechtzeitig erfolgen, sind damit bis auf weiteres keine nachteiligen Folgen für den Mieter verbunden. Auch Gewerbemieten und Pachten dürfen wegen Zahlungsrückstände nicht mehr einseitig gekündigt werden.

Das Gesetz sollte »die Kleinen schützen«, zeigte sich Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, entrüstet. Friseure, Modelädchen und Gaststätten sollten nach dem Willen der Politik finanziell entlastet werden. Allerdings ist im Gesetzestext lediglich von »Mieter« die Rede - und das können nun einmal auch Großkonzerne sein.

So hat das zum Teil missglückte Gesetzeswerk den Großen der Wirtschaft unverhofft einen milliardenschweren Spielraum verschafft. Da die Läden der meisten Einzelhändler infolge der Corona-Pandemie geschlossen bleiben, können sich sogar finanziell potente Unternehmen, die im Gegensatz zu rein stationären Händlern gleichzeitig vom Onlineboom profitieren, auf das neue Hilfsgesetz berufen - und ihre Zahlungen zunächst bis Ende Juni einstellen.

Das könnte erschreckende Folgen haben, die weit über den Handel hinausreichen. Zunächst betrifft es die Eigentümer von Einzelhandelsflächen. Die stehen schon länger unter dem Wettbewerbsdruck des Internethandels. Die Margen sind daher kleiner als im lukrativen Wohnungsmarkt. Als nächstes dürften die Eigentümer von Büros und Hotels Probleme mit zahlungsunwilligen Mietern kriegen. Nur das Geschäft mit Logistikflächen und Rechenzentren läuft noch rund.

Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, ist in Sorge über den »Systemfehler«. ZIA-Präsident Andreas Mattner: »Es kann nicht angehen, dass wirtschaftlich gesunde Großkonzerne ein Gesetz ausnutzen wollen, was für sie nicht gedacht war.« Rechtlich allerdings werde dies kurzfristig kaum zu verhindern sein. Dennoch müsse die Bundesregierung nachbessern. Mattner warnte davor, dass viele kleine und große Vermieter durch das Vorgehen der Filialisten an den Rand der Insolvenz gebracht würden.

Wenn ein Großteil des Immobilienmarktes in Bedrängnis gerät, möglicherweise sogar eine Immobilienblase platzt, träfe dies auch deren Financiers. In größeren Immobilienprojekten wie Einkaufszentren oder Bürotürmen, die jeweils Hunderte Millionen Euro verschlingen, steckt neben Eigenkapital von Investoren viel Geld von Fonds, Versicherungen und Banken. Es ist daher möglich, dass in großem Stil ausbleibende Mietzahlungen durch Adidas, Deichmann und Co. letztlich auch Banken infizieren.

Dabei kann ein solches »Virus« noch über einen zweiten Übertragungsweg die Banken erwischen: Der Bund hat bis zu 400 Milliarden Euro Kreditgarantien für Firmen vorgesehen. Doch die staatlichen Hilfskredite, die über die KfW-Bank an größere Unternehmen vergeben werden, fließen zumindest nach jetzigem Stand nur, wenn die Banken eigenes Geld dazu tun und zudem mindestens 20 Prozent des gesamten Risikos übernehmen. Das könnte für manch eine Bank zu viel sein.

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