Die ungeliebten Ausflügler
Trips ins Grüne sind auch zu Ostern nicht überall erlaubt oder gerne gesehen
Es wird viel weniger gereist in diesen Tagen. Die Coronakrise macht die Welt kleiner - wie sehr, wurde auch vielen Berlinern und Brandenburgern erst mit Beginn der Ferienzeit klar. Ein, wie zu erwarten, frühsommerlich warmes Osterfest aber macht die rigiden Einschränkungen der Versammlungs- und Reisefreiheit nun zur Herausforderung für jedermann. Das kommt auch daher, dass man schlicht oft nicht weiß, was man wirklich darf.
Wie klein die Welt für die Hauptstädter und ihre Nachbarn plötzlich werden kann, machte Mecklenburg-Vorpommern deutlich. Am 17. März untersagte die Landesregierung in Schwerin weitgehend Reisen aus privatem Anlass in das Gebiet des Landes - ausgenommen sind nur Menschen mit Erstwohnsitz, Pendler und Dienstreisende. Zuwiderhandelnde wurden durch die Landespolizei an Autobahn- und Straßenkontrollstellen zurückgewiesen. Ähnliche Vorkehrungen haben auch Sachsen und Sachsen-Anhalt ergriffen, bestätigt der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) Berlin-Brandenburg dem »nd«. Sachsen-Anhalt etwa ahnde touristische Einreisen mit einem Bußgeld von 400 Euro. »Bevor man eine Landesgrenze übertritt, sollte man sich deshalb mit den dort geltenden Bestimmungen vertraut machen«, rät Sprecherin Sandra Hass.
Dass die mit der Coronaangst aufkommende Kleinstaaterei längst auch Brandenburg ergriffen hat, demonstrierte der Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Dieser hatte als einziger landesweit ein Verbot touristischer Einreisen aus privatem Anlass in das Kreisgebiet verfügt. Zwei Berliner hatten gegen das daraus abgeleitete Verbot, ihren Zweitwohnsitz in Ostprignitz-Ruppin aufsuchen zu dürfen, vor Gericht geklagt. Am Dienstag hatte ihnen in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Recht gegeben und die entsprechende Beschwerde des Landkreises abgewiesen. Tags darauf hat nun Landrat Ralf Reinhardt (SPD) eingelenkt und die umstrittene Verfügung aufgehoben. Das Einreiseverbot werde ab sofort außer Vollzug gesetzt, teilte er am Mittwoch mit.
Doch auch der Landkreis Uckermark geht in der Zurückweisung der sonst so willkommenen Ausflügler und Touristen sehr weit. In einem am Dienstag veröffentlichten Bleibt-zu-Hause-Appell richten sich Polizeiinspektion und Landkreis ausdrücklich an die Berliner: »Wir freuen uns darüber, dass insbesondere Urlauber und Tagesausflügler aus der Hauptstadt gern und oft in die Uckermark kommen. Aber in der momentanen Situation ist der Aufenthalt im eigenen Zuhause alternativlos.« Um Ausflüglern dann unmissverständlich die Tür zu weisen: »Für die kommenden Tage kündigt der Landkreis gemeinsam mit den örtlichen Ordnungsbehörden und der Polizei umfangreiche Kontrollen an und versichert, dass bei Verstößen gegen die Maßnahmen der Eindämmungsverordnung konsequent eingeschritten wird. Es drohen empfindliche Bußgelder.«
Der ADAC, der sonst zu Ostern vor ausgedehnten Staus auf Autobahnen und Bundesstraßen warnt, rechnet in seiner Prognose für die Zeit vom 9. bis 13. April in der Region »mit deutlich weniger Verkehr als in den Vorjahren«. Doch zugleich bitte er seine Mitglieder dringend, daheim zu bleiben. ADAC-Präsident August Markl erklärte dazu: »In einigen Bundesländern sind Fahrten ohne einen dringenden Anlass untersagt, aber auch in jenen Teilen des Landes, in denen Fahrten theoretisch denkbar sind, möchten wir die Bevölkerung bitten, Fahrten nach Möglichkeit zu unterlassen, die verzichtbar sind.« Verwandtenbesuche etwa.
Dass das angesichts des Drangs der Bürger, dann wenigstens ins Grüne und an die frische Luft zu gehen, auch anders geht, bewies Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Er sagte am Mittwoch im RBB-Inforadio: »Kleine Ausflüge kann jeder machen - auch nach Brandenburg.« Touristische Aktivitäten seien zwar verboten, sportliche wie Radfahren aber erlaubt. »Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Brandenburg nicht nach Berlin hin abzuschotten oder eine neue Berliner Mauer zu bauen.«
Gegen Ausflüge und Sport hat auch Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) bei Respektierung der Corona-Verordnung ausdrücklich nichts einzuwenden. Spaziergänge und Fahrradpartien bieten sich an - oder auch Fahrten mit dem Privat-Pkw ins ruhige Umland. Zum Beispiel dann, wenn etwa ein ganzes innerstädtisches Waldgebiet wegen nicht gegebener Gewährleistung des Mindestabstands gesperrt wird - so geschehen am vergangenen Wochenende zwischen Müggelheim und Hessenwinkel.
»Trotz der Beschränkungen werden die Straßen voraussichtlich nicht vollständig leer sein«, sagte die ADAC-Sprecherin. Am Gründonnerstag seien noch etliche Pendler auf dem Heimweg. Ebenfalls etwas mehr Verkehr sei auch am Ostermontag zu erwarten. Und Sandra Hass erinnerte daran: »Um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu sichern, wurde in allen Bundesländern das Sonn- und Feiertagsfahrverbot für Lkw befristet aufgehoben.«
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