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PFAS im Berliner Wasser: Kein Entrinnen
Umweltverband BUND weist Ewigkeitschemikalien in Trink- und Grundwasser nach
Überall Chemie – das ist das Fazit einer aktuellen Untersuchung des Umweltverbands BUND. Bundesweit wurden Trink- und Grundwasserproben entnommen und auf PFAS untersucht. Diese chemischen Verbindungen werden Ewigkeitschemikalien genannt, weil sie extrem langlebig sind und deshalb sehr lange in der Umwelt verbleiben. Vom Boden gelangen sie dabei auch ins Berliner Wasser: Die vom BUND entnommene Trinkwasserprobe aus dem Regierungsviertel enthielt PFAS, ebenso die vier Grundwasserproben.
»Unsere Stichprobe zeigt, dass PFAS längst in unserem Wasserkreislauf vor Ort angekommen sind«, sagt Christian Schweer vom BUND Berlin in einer Pressemitteilung. Zwar unterschreitet die Trinkwasserprobe die ab 2026 beziehungsweise 2028 geltenden Grenzwerte für den PFAS-Gehalt, gesundheitlich bedenklich seien die gemessenen 12 Nanogramm pro Liter aber allemal, sagt der BUND mit Verweis auf Veröffentlichungen des Bundesinstituts für Risikoforschung. Die 12 Nanogramm beziehen sich auf vier besonders stark regulierte PFAS, für die ab 2028 ein Trinkwasser-Grenzwert von 20 Nanogramm pro Liter gilt. Von den Trinkwasserproben des BUND überschritten bundesweit nur Proben im Brandenburger Zeuthen und in zwei Orten in Mecklenburg-Vorpommern die künftig geltenden Grenzwerte.
Auch die Berliner Wasserbetriebe beschäftigen sich intensiv mit den Ewigkeitschemikalien im Wasser. »Die Untersuchung des BUND zeigt, wie universell PFAS mittlerweile verbreitet sind«, sagt Wasserbetriebe-Sprecher Stephan Natz zu »nd«. Dabei sei die Aufnahme der Chemikalien über das Trinkwasser im Vergleich zum PFAS-Gehalt in anderen Lebensmitteln noch relativ gering, nichtsdestotrotz aber ein Problem. »Wir sind uns mit dem BUND, aber auch mit Branchenverbänden einig, dass PFAS politisch reglementiert werden müssen.« Noch würden sie in zu vielen Produkten eingesetzt, etwa in wasserdichter Funktionskleidung und beschichteten Pfannen. Es gebe durchaus alternative Produktionsmethoden, diese müssten dort eingesetzt werden, wo es möglich ist.
Für die Wasserbetriebe seien regionale »Hotspots« entscheidend. In Berlin seien das die beiden ehemaligen Flughäfen Tegel und Tempelhof. Auf beiden Flächen seien in der Vergangenheit zahlreiche Brand-Szenarien von der Flughafenfeuerwehr geübt worden, dadurch sei es wegen des PFAS-Gehalts im Löschschaum zu einer hohen Belastung der Umwelt gekommen. »Für uns ist Tegel relevant. In Tempelhof gibt es kein Wasserwerk«, sagt Natz.
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Angesichts der PFAS-Belastung des Tegeler Grundwassers haben die Wasserbetriebe dort eine eigene Anlage gebaut. Diese filtert den Großteil der Chemikalien heraus, damit sie nicht ins Trinkwasser gelangen. Dafür habe man viel Geld investieren müssen, sagt Natz, obwohl die Verursacher der Wasserverschmutzung andere sind. »In Tegel können wir nicht darauf warten, dass das Problem von einer anderen Stelle geregelt wird.«
»Das Aufbereiten sauberen Trinkwassers wird immer aufwendiger und teurer für unsere Wasserwerke«, sagt Christian Schweer vom BUND. Der Umweltverband kritisiert, dass so die Verbraucher*innen für die PFAS-Entfernung aufkommen müssen und nicht jene, die sie verursacht haben. »Wir fordern die Kommunen auf, die Verursacher zu identifizieren und zur Kasse zu bitten.«
Im Fall von Tegel wurden die Verursacher bereits identifiziert: Die »Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin der Liegenschaft und die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg als Verantwortliche für die Flughafenfeuerwehr« seien auf dem ehemaligen militärischen Teil des Geländes, das Land Berlin auf dem zivilen Teil verantwortlich, so der Senat in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten June Tomiak von Anfang 2025. Hauptsächlich würden die Schadstoffe aber vom militärischen Teil aus in den Boden und ins Wasser gelangen.
»PFAS müssen politisch reglementiert werden.«
Stephan Natz Berliner Wasserbetriebe
Wie es mit dem »zur Kasse bitten« aussieht, das lässt sich aus den Antworten des Senats nicht allzu konkret ablesen. Die »Störer«, also die Verursacher der Verschmutzung, sollen Gefahrenabwehrmaßnahmen umsetzen, und wenn sie das nicht machen, dann will der Senat rechtliche Schritte einleiten, heißt es. »Die Notwendigkeit von Maßnahmen wurde kommuniziert. Mit den Planungen wurde begonnen.« Darüber hinaus würden umfangreiche Untersuchungen zur PFAS-Belastung in Tegel und in ganz Berlin andauern.
Auch auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof liefen Untersuchungen, heißt es vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg in der Senatsantwort. Ursächlich seien auch hier Feuerlöschübungen, »bis 1990 durch die amerikanischen Streitkräfte sowie nachfolgend durch die Berliner Flughafengesellschaft«. Maßnahmen zur Untersuchung des Schadens und Sicherungsmaßnahmen für das Grundwasser würden »derzeit durch die Grün Berlin GmbH getragen«. Grün Berlin verwaltet als landeseigenes Unternehmen Grünflächen, darunter das Tempelhofer Feld.
Eine nd-Anfrage zu PFAS im Trink- und Grundwasser konnte die Senatsumweltverwaltung bis Redaktionsschluss nicht beantworten.
June Tomiak, Sprecherin für Gewässerschutz der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, will wie der BUND die Anwendung von PFAS ebenfalls beschränken. Auch sie fordert, dass die Verursacher Verantwortung übernehmen müssen. »Derzeit kommt der Staat, also wir alle, für diese Folgekosten auf, das ist nicht gerecht«, sagt Tomiak zu »nd«. Die Umsetzung dessen sei allerdings mühsam und der Senat werde hier bereits tätig, so Tomiak.
Auf Landesebene brauche es »einen besseren Überblick über belastete Gebiete«, und man müsse »schnellstmöglich Eintragungsquellen sichern und die belasteten Böden aufbereiten«, so die Grünen-Politikerin. Darüber hinaus sei es »gut und richtig«, dass die Wasserbetriebe technische Lösungen zur PFAS-Filterung entwickeln, doch zusätzlich müssten auch die Berliner Gewässer in einen besseren Zustand gebracht werden. »Vorhandene Belastungen zu entfernen und neue Eintragungen zu stoppen, ist die Aufgabe unserer Zeit!«
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