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Verstummter Kritiker
Ren Zhiqiang hat nach seiner Kritik am Umgang mit dem Coronavirus in Wuhan seine »Narrenfreiheit« verloren
Sein Vater gehörte zu den Gründungsvätern der Volksrepublik China. Die Rede ist von Ren Zhiqiang, 69 Jahre, einem der einflussreichsten Unternehmer des Landes.
Nicht wenige Chinesen fragen sich dieser Tage, ob der Ausbruch der Virus-Pandemie nicht hätte verhindert werden können. Ren Zhiqiang ging der Thematik vor einigen Wochen auf den Grund. In einem scharfzüngigen Essay, publiziert auf sozialen Medien für ein Millionenpublikum, schießt »Kanonen-Ren« scharf gegen das Staatsoberhaupt. Ohne Präsident Xi Jinping beim Namen zu nennen, wird dieser unverkennbar als »machthungriger Clown« verunglimpft. Danach wurde es schlagartig still um den ehemaligen Immobilien-Tycoon. Seine Spur verlor sich.
In den späten Abendstunden am 7. April schließlich berichteten chinesische Staatsmedien, dass die Justiz gegen Ren wegen »ernsthafter Verletzungen der Disziplin und der Gesetze« ermittelt. Die Botschaft ist eindeutig: Der Kritiker hat eine rote Linie überschritten. Dabei genoss Ren Zhiqiang, seit 1974 selber Mitglied der Kommunistischen Partei, lange Zeit so etwas wie Narrenfreiheit.
In jenem Essay, der Ren Zhiqiang zum Verhängnis wurde, stellt er die Schuldfrage für den Ausbruch von Covid-19. Die Grundthese lautet: Gäbe es eine unabhängige Presse und Meinungsfreiheit im Land, dann wäre die Krise zu verhindern gewesen. Seiner Ansicht nach hätten die Lokalbeamten in Wuhan aus Eigeninteresse keine schlechten Nachrichten an ihre Vorgesetzten weiterleiten wollen. Die Information über die sich anbahnende Epidemie versickerte schließlich. Ganz anders in der Provinz Zhejiang bei Schanghai, die transparent reagiert und »die Rechte der Bevölkerung respektiert« habe.
Dass Peking die scharf formulierte, aber von vielen Chinesen geteilte Kritik nicht duldet, zeugt erneut davon, dass die Coronakrise keinesfalls zu einer Öffnung des Landes unter der Regierung Xi Jinping führen dürfte.
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