Pipeline auf Kosten von Indigenen

Filmemacherin Nikki Sanchez über Widerstand gegen Energiekonzerne in Kanada

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bau einer Gaspipeline des Konzerns TC Energy auf dem Gebiet der in der kanadischen Provinz British Columbia geht trotz eines ersten Falls von Covid-19 in einem Arbeitercamp weiter. Nach traditionellem indigenen Recht tragen die Hereditary Chiefs der fünf Wet’suwet’en Clans die Verantwortung für das Land. Sie haben sich einstimmig gegen das Projekt ausgesprochen. Warum ist es für die indigenen Jugendlichen so wichtig, die Hereditary Chiefs und deren Entscheidung gegen die Pipeline zu unterstützen?
Was gerade passiert, ist ein historischer Moment, nicht nur in Kanada, sondern global gesehen. Es geht darum, ob Staaten, die im Wesentlichen keine Demokratien mehr sind, sondern Petro-States (vom Erdölexport abhängige Staaten, d. Red.), weiter den Weg in Richtung irreparabler Klimafolgen gehen. Das trifft inzwischen auch auf Kanada als ressourcenbasierte Ökonomie zu. Die Frage ist, ob wir auf einem Planeten leben wollen, der ein Albtraum ist, oder ob wir indigene Lebensweisen anerkennen und aufrechterhalten. Wir stehen am Rande eines globalen Klimakollapses und sollten daher alles tun, um indigene Rechtssysteme und Governancestrukturen zu unterstützen. Das Verständnis der Welt und das Wissen, das sie verkörpern, sind wahrscheinlich die einzigen Methodologien, die uns in Richtung einer Lebensweise führen können, die auch zukünftig menschliches Leben auf der Erde zulässt.

Viele Indigene, die sich gegen die Pipeline wehren, verstehen sich als Landschützer*innen. Was bedeutet das?
Als indigene Menschen und als indigene Jugendliche haben wir eine inhärente Verantwortung, das Land zu schützen, das uns versorgt und uns Leben schenkt. Ich denke, es ist wirklich wichtig zu verstehen, dass die indigenen Jugendlichen, die sich für die Wet’suwet’en einsetzen, das nicht aus Eigennutz tun, sondern aus einem Verantwortungsbewusstsein für alle Menschen und alles Leben auf diesem Planeten heraus. Im Kern ist Landschützer*in eine Kurzbezeichnung für diejenigen, die eine traditionelle Verantwortung haben, für sauberes Wasser zu sorgen, für saubere Luft, sauberen Boden und Essen, das nicht mit Treibstoffresten oder Mikroplastik vergiftet ist.

Im Zusammenhang mit Ressourcenprojekten auf indigenen Gebieten wird oft gesagt, dass die Gewalt gegen das Land auch mit Gewalt an Frauen einhergeht. Was ist hier der Zusammenhang?
Es ist wichtig zu verstehen, dass es in Kanada insgesamt über 4000 verschwundene und ermordete indigene Frauen gibt. Indigene Frauen sind in diesem Land überproportional gefährdet, ermordet oder Opfer von Gewalt zu werden. Durch die Arbeitercamps wird das noch verstärkt. Beim Bau von Ressourcenprojekten sind Camps für Arbeitskräfte, die wir »man camps« nennen, Teil der Infrastruktur. Viele, größtenteils männliche, Arbeitskräfte müssen hergeschafft und teilweise für Jahre in abgelegenen Gegenden gehalten werden. Was wir mit der Errichtung dieser »man camps« erleben, ist, dass es exponentiell mehr Vergewaltigungen und Menschenhandel gibt und dass mehr Frauen verschwinden.

Welche Folgen hatten die Besetzungen des zeremoniellen Eingangs des Parlamentsgebäudes durch die Indigenous Youth for Wet’suwet’en in Victoria, British Columbia? Sie forderten den Rückzug der kanadischen Polizei RCMP und aller Mitarbeiter des Pipelineprojekts Coastal GasLink vom indigenen Territorium.
Die zwei Besetzungen dauerten zusammengenommen über zwei Wochen und führten unter anderem zur Absage der Zeremonien um die jährlich stattfindende Thronrede. Für die britische Krone ist das überaus beschämend. Es sendet eine direkte Botschaft an Königin, Queen Elisabeth II., dass diese Kolonie nicht länger gewillt ist, kolonisiert zu werden und dass die indigenen Menschen in diesem Land, dem sogenannten Kanada, bereit sind, sich ihre Gebiete genauso wie ihre Souveränität und ihr Recht auf Selbstbestimmung zurückzuholen.

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