Rechtlos im Schatten von Corona

Bundestag debattierte über Anträge zu Geflüchteten

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder sind Warnungen vor den Folgen der Virusinfektion für die Bewohner von Flüchtlingsheimen zu vernehmen; ungleich größer noch sind die Gefahren in den Elendslagern in Griechenland. Über beides sah sich der Bundestag am Mittwochabend genötigt zu diskutieren. Die Fraktionen der Linken und der Grünen sorgten mit entsprechenden Anträgen dafür.

Für Geflüchtete, deren Asylantrag abgelehnt wurde, kommt in diesen Tagen zur Abschiebehaft, in die sie unschuldig gezwungen werden können, noch die erhöhte Gefahr einer Infektion, der die Insassen von Strafanstalten ausgesetzt sind. Die Linke fordert deshalb in einem Antrag die sofortige Entlassung von Flüchtlingen aus der Abschiebehaft. Außerdem zielt ihr Antrag auf einen Abschiebestopp und auf Bleiberechtsregelungen, die mit den Bundesländern zu einem allgemeinen Abschiebemoratorium in der Coronakrise ausgeweitet werden sollen. Überstellungen in andere EU-Mitgliedstaaten sollen ausgesetzt bleiben. Hierfür müsse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asylverfahren übernehmen, statt aufwendig zu prüfen, ob ein anderer EU-Staat nach der Dublinregelung zuständig wäre.

Auch die EU-Kommission arbeitet an einer Neufassung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, und eine Neuordnung der Zuständigkeit spielt dabei eine besondere Rolle. Ihre bereits 2016 hierzu bekannt gewordenen Vorschläge drohten das individuelle Asylrecht abzuschaffen und den Flüchtlingsschutz noch strikter in die EU-Außengrenzenstaaten sowie in deren vorgelagerte Nachbarländer zu verschieben, hatten Menschenrechtsorganisationen umgehend eingewandt. Die Linke brachte darauf einen Antrag in den Bundestag ein, der den Abgeordneten am Mittwoch nun in Dritter Lesung vorlag. Der zuständige Ausschuss hatte Ablehnung empfohlen.

Die Linke wollte darin die Bundesregierung verpflichten, gegen eine weitere Vorverlagerung der Grenzabwehr von Flüchtlingen einzutreten und innerhalb der EU für einheitliche Schutzstandards und faire Asylverfahren auf hohem Niveau einzutreten. Michel Brandt machte für die Linke vor dem Plenum auf den Zusammenhang der Gewalt europäischer Grenzbehörden gegenüber Flüchtlingen und der Coronakrise aufmerksam.

Alle EU-Hotspots müssten sofort evakuiert werden. »Die Geflüchteten sind auf dem EU-Festland sicher und menschenwürdig unterzubringen, das gilt im Übrigen auch für die Sammelunterkünfte in Deutschland.« Corona dürfe kein Grund sein, das Asylrecht weiter zu schleifen, so Brandt.

Der Antrag seiner Fraktion, der im Unterschied zu den anderen Anträgen noch am Abend abgestimmt werden sollte, richtet sich wie der der Grünen auf die Verteidigung eines humanitären Flüchtlingsschutzes in Europa. Die Grünen sehen in ihrem Antrag die Abschaffung des Dublinsystems vor. Eine neu zu schaffende Asylagentur mit EU-Beamten soll danach in persönlichen Gesprächen mit den Asylsuchenden die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedsstaat treffen, in dem dann das Asylverfahren stattfände. Mit finanziellen Anreizen wollen die Grünen überdies einen solidarischen Verteilmechanismus unter den Ländern organisieren.

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