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Senator: 1. Mai darf kein Ischgl werden
Andreas Geisel (SPD) lässt zwar Versammlungsrecht lockern, will aber Großdemonstration verhindern
»Langsam nähern wir uns wieder der Ausweitung der Grundrechte«, sagt Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Wichtigster Diskussionspunkt bleibt dort das größtenteils aufgehobene Versammlungsrecht. Ab dem 4. Mai sollen Kundgebungen mit bis zu 50 Personen grundsätzlich wieder erlaubt sein - unter Auflage der nötigen Sicherheitsmaßnahmen. Zur Zeit sind höchstens 20 erlaubt.
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, begrüßt diese Lockerung als Schritt in die richtige Richtung. Er plädiert für eine überzeugende Kommunikation der Maßnahmen - man müsse »mit Argumenten arbeiten statt mit Androhungen von Strafen«.
Man habe Lockerungen angestoßen, die richtig seien, findet auch der Grünen-Politiker Benedikt Lux. Die Auswirkungen seien aber ungewiss. Politische Maßnahmen sollten folglich nicht zwingend nur in eine lockernde Richtung gehen, sagt Lux, ohne dabei aber konkret zu werden.
»Wir haben nach wie vor einen Ausnahmezustand«, mahnt auch Frank Zimmermann (SPD). Mit Lockerungen müsse man vorsichtig sein. Im Zweifel solle man für den Gesundheitsschutz entscheiden und Grundrechte abwägen.
Die Opposition bleibt derweil relativ zurückhaltend in ihrer Kritik. CDU und FDP äußern Verständnis für die Maßnahmen. Allein der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete Andreas Wild bezweifelt generell die Gefahr der Pandemie.
Geisel geht es besonders um die Sicherheit der Polizeibeamt*innen. Insgesamt habe er für die kommenden Tage bis zum 1. Mai 82 Anmeldungen für Versammlungen auf dem Schreibtisch. Bei 56 Anmeldungen liegt ein Antrag auf Ausnahmeregelung vor. 26 wurden bereits genehmigt, 15 abgelehnt. Den Vorwurf, die Versammlungsbehörden würden restriktiv vorgehen, weist er zurück.
»Für den 1. Mai 2020 gilt, dass der Infektionsschutz im Vordergrund steht«, sagt der Senator. »Eine Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration darf nicht zum Ischgl von Berlin werden.« Und: »Die Polizei wird konsequent vorgehen.« Eine mögliche Demonstration wäre nach der Corona-Verordnung nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Bisher liegen 18 Anmeldungen für Versammlungen vor, keine davon sei bislang genehmigt. Das repressive Vorgehen gegen die verschiedenen Fahrradkorsos am vergangenen Sonntag rechtfertigte der Innensenator damit, dass zurzeit nur stationäre Kundgebungen genehmigt werden. Schrader befürchtet, dass dies nicht nachzuvollziehen sei.
Deutlich wird noch ein anderes Problem: Bei der aktuellen Polizeiarbeit könne man sich nur begrenzt auf Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik verlassen, da diese verzerrt seien, befürchten Innenpolitker*innen. So präsentiert Geisel zwar fallende Kriminalitätsraten, Gründe hierfür kann er jedoch noch nicht nennen.
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