36 Jahre Mauerfall: Ein Denknach in Berlin-Pankow

Auf der Suche nach dem Denkmal für die deutsche Einheit

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 4 Min.
36 Jahre nach dem Mauerfall sollte der Efeubewuchs die Trennung der beiden Bogenhälften eigentlich kaschieren. Doch es wurde sich nicht gekümmert.
36 Jahre nach dem Mauerfall sollte der Efeubewuchs die Trennung der beiden Bogenhälften eigentlich kaschieren. Doch es wurde sich nicht gekümmert.

Unlängst wurde in dieser Zeitung ein Buch gefeiert: »Orte des Erinnerns an die deutsche Einheit« von Lena Ens. »Ein höchst aufschlussreiches Kompendium«, urteilte Pia Sophie Roy. Wie in einem Katalog sind sämtliche Einheitsdenkmäler in den Bundesländern, alphabetisch geordnet von Baden-Württemberg bis Thüringen, mit Text und Foto gelistet. So auch in Berlin und Brandenburg: Sei es in der Axel-Springer-Straße die Gedenktafel für US-Präsident Ronald Reagan, dem »Wegbereiter der deutschen Einheit«, oder die Einheitseiche am Dorfanger in Laaslich in der Westprignitz. Nicht zu vergessen die Helmut-Kohl-Büste in der Kirchstraße in Berlin-Mitte.

Interessanterweise aber fehlt beim Einheitsdenkmal auf Seite 64 das Foto. Und das ausgerechnet in Pankow! In der Ära von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) galt allein schon der Bezirksname, den Adenauer »Pankoff« auszusprechen pflegte, als Inbegriff für kommunistische Gewaltherrschaft. Befand sich doch im Majakowski-Ring, unweit vom Schloss Schönhausen, dem Amtssitz des ersten und einzigen DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck, lange Zeit der Wohnsitz von Ulbricht, Grotewohl und anderen.

»Hier ist nichts zusammengewachsen. Hätte man sich drum kümmern müssen.«

Peter Rossa
Urheber der Skulptur »Zwei Torbögen«

Doch zum Denkmal: Die Skulptur »Zwei Torbögen« befindet sich im Brosepark, nicht weit vom Zugang über die Wackenbergstraße. Das Werk der, wie es im Buch heißt, »zu DDR-Zeiten bekannten Designer Peter Rossa und Wolf Dieter Schulze«, besteht aus zwei leicht versetzt einander gegenüberstehenden halben Torbögen. Ohne sich in den Kronen zu berühren, bilden sie den Durchgang eines Parkweges. Die je 2,3 Meter hohen und 2,3 Meter breiten Bögen seien stufenförmig aus Holzelementen zusammengesetzt und sollten ursprünglich von einem Rankengewächs umwunden werden. Ganz im Sinne des berühmten Willy-Brandt-Zitats »Es wächst zusammen, was zusammengehört« habe die Efeubepflanzung die Lücke zwischen den Torbögen schließen sollen.

Anruf beim Künstler im Oderbruch: Peter Rossa fällt aus allen Wolken. Mit seinem Kollegen Schulze soll er ein Einheitsdenkmal geschaffen haben? »Also die Jacke ziehe ich mir nicht an«, sagt der 83-Jährige und wundert sich, dass die Eichenholzskulptur überhaupt noch steht. »Alles, was aus Holz gebaut wird, ist doch sehr witterungsanfällig.« Überhaupt hätten andere seiner Werke im öffentlichen Raum, die sogar aus Beton gemacht sind, die letzten 35 Jahre nicht überstanden. In der DDR habe er viele Kinderspielplätze gestaltet, aber auch für Polikliniken gearbeitet, Spielobjekte für Kinder geschaffen, die sich in den Wartezimmern langweilten.

Die deutsche Wiedervereinigung sei für ihn und viele andere Bildende Künstler eine schwere Zäsur gewesen: »Es gab so gut wie keine öffentlichen Aufträge mehr, keine Hilfe, keine Förderung.« Er selbst habe fortan seine Arbeiten hauptsächlich auf Märkten verkauft. Was die »Zwei Torbögen« im Brosepark betrifft, die stünden dort eigentlich ohne jeden gesellschaftlichen und politischen Hintergrund. Und das seit März 1990.

Peter Rossa
  • 1943 * Berlin
  • 1968 Diplom an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Fachrichtung Industriedesign
  • 1969 freiberuflich als Designer für Industrieprodukte, zunehmend Gestaltung im Bereich Kunst am Bau, Schwerpunkt Holzgestaltung im Außen- und Innenraum
  • Seit 1992 Zusammenarbeit im gemeinsamen Atelier mit Sabine Rossa. Es entstehen Holzarbeiten – von Tierplastiken über freie Gestaltung bis zu Möbeln.
  • 1997 Ortswechsel: Leben und Schaffen im Oderbruch, Foyer- und Wandgestaltungen, künstlerische Mitarbeit an Architekturaufträgen, Objekte, Plastiken und Reliefbilder aus Holz

»In Pankow steht einfach nur eine Parkplastik, ein Aufmerksamkeitsspender, wie ein Baum oder ein Busch, nur eben von Menschen gestaltet.« Einer der beiden Torbogen befände sich mitten im Weg, eine kleine Behinderung beim Durchqueren des Parks. »Irgendwo auf dem Rasen hätte die Skulptur keinen Sinn gemacht«, sagt Peter Rossa. Man kann durchgehen oder daran vorbei. Was man aber nicht kann: die beiden Torbögen ignorieren. Alles in allem kein Denkmal, aber so was wie ein Denknach. Und der Schöpfer? Was andere da hineininterpretierten, sagt er, dafür könne er nichts. »Kunst ist immer auslegbar.« Er habe aber gerade die Handwerker im Haus und keine Zeit zum Telefonieren.

Schließlich muss der Künstler doch noch lachen. Peter Rossa sagt, damit hätten sie damals nicht gerechnet. Offenbar trug ihre Arbeit prophetische Züge. Die Skulptur im Brosepark dokumentiere wie kaum ein anderes Kunstwerk den Stand der deutschen Einheit: »Kein Grün, kein Efeu. Hier ist nichts zusammengewachsen. Hätte man sich drum kümmern müssen.«

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.