Scheidender Leiter der Gedenkstätte Buchenwald glaubt nicht an Läuterung der AfD

Volkhard Knigge: Die ganze Partei ist doch laut Höcke inzwischen »Flügel«

  • Lesedauer: 2 Min.

Erfurt. Der scheidende Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora spricht sich für eine anhaltende Strafverfolgung auch hochbetagter ehemaliger SS-Männer aus. »Man kann doch nicht bloß durch Altwerden, das Ableugnen und das Abtauchen in einer verdrängenden Gesellschaft - und nur deswegen hat das ja so lange funktioniert - die Aussetzung von ethischen und Rechtsnormen erwarten oder einfordern«, sagte Volkhard Knigge dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt.

Es gehe um das Eingeständnis von Schuld, und das könnten nur die Täter. Dieses Schuldeingeständnis sei Basis für eine mögliche Versöhnung. »Die KZ-Überlebenden sind da sehr klar: Die alten Männer müssen nicht ins Gefängnis, aber die Prozesse müssen sein«, sagte Knigge, der zum 1. Mai aus dem Amt scheidet.

Der 66-jährige Historiker, der zunächst Björn Höcke und inzwischen der ganzen AfD-Spitze bei Gedenktagen Hausverbot erteilt hat, glaubt nicht an eine Läuterung der Partei. Ankündigungen vor allem westlicher AfD-Politiker, sich vom völkischen »Flügel« lösen zu wollen, traue er nicht. »Im Gegenteil, Höcke hat - was er selbst zugibt - seine historische Mission erfüllt«, sagte Knigge. Die ganze Partei sei doch laut Höcke inzwischen »Flügel«.

Dass es mittlerweile um umstrittene Fragen zur Geschichte Buchenwalds während und nach der NS-Zeit ruhiger geworden ist, führt er auf die langjährige Sacharbeit der Gedenkstätte zurück. Nachdem er sein Amt 1994 - bereits als der siebte Chef nach 1990 - angetreten habe, sei anstelle politisch beförderter Mythen die historische Aufklärung getreten. Es habe damals auch keinen Grund für westdeutschen Hochmut gegeben. »Große - von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte KZ-Gedenkstätten - gab es um 1990 in Westdeutschland nicht«, so Knigge. Aufarbeitung der Vergangenheit habe vielen im Westen noch als »Nestbeschmutzung« gegolten.

Er habe es richtig gefunden, »dass wir in diesen Jahren ein Team von West- und Ostdeutschen waren, das die Neukonzeption Buchenwalds realisiert hat.« Etwas vereinfacht könne man sagen »was der BRD Beschweigen und Verharmlosen war, war der DDR Verengung und Funktionalisierung der Geschichte«, so Knigge: »Beides galt es zu überwinden.«

Nun komme mit dem Ruhestand für ihn nach der Pflicht die Kür. »Nach vielen schlaflosen Nächten freue ich mich darauf, entlasteter forschen und schreiben zu können«, so der scheidende Stiftungsdirektor. Das auch, weil ihm das Amt wohl einige gesundheitlichen Blessuren eingebracht habe. Aber was seien die Strapazen eines Gedenkstättendirektors gegen das, was Überlebende erfahren mussten, sagte Knigge.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal