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  • Corona in Berlin und Brandenburg

Testen statt Immunitätsausweis

Nach den ersten zwei Monaten Pandemie stellen sich neue Fragen und Aufgaben

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wo kommen wir hin, wenn die Krise vorbei ist?«, fragt der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), Marc Schreiner. Er ist an diesem Montagmorgen in eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses gekommen. Der Jurist beabsichtigt mit seiner Frage nicht, die Krise demnächst als beendet zu erklären. Ihm geht es darum, Konzepte zu entwickeln, wie die Regelversorgung in den Krankenhäusern zukünftig aufgestellt wird.

Die erste Infektionswelle hat das Gesundheitssystem der Hauptstadt nicht so schwer getroffen wie befürchtet. Es gibt genügend freie Betten, auch das Covid-Notfallkrankenhaus an der Messe ist wie geplant fertiggestellt worden.

Es habe sich, so Schreiner, gezeigt, wie schnell »hochgradig durchregelte Versorgungsstrukturen« innerhalb kurzer Zeit »runtergefahren und umgestellt werden können«. Man habe die Kapazitäten bei Beatmungsgeräten und die Bettenzahl hochrüsten können. Davon seien nun 37 Prozent frei, aber Erlösausfälle der Kliniken würden einstweilen vom Bund kompensiert - »eine wirkliche Bilanz muss später erfolgen«. Schreiner nutzt die Anhörung, um darauf aufmerksam zu machen, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sich zwar bei den Beschäftigten der landeseigenen Kliniken für ihr Engagement bedankt habe, das Personal der anderen Hauptstadt-Kliniken hingegen bislang leer ausgegangen sei.

Auch Juliane Blume vom Pflegerat Berlin-Brandenburg findet, dass gerade die Beschäftigten mit ihrem Einsatz, ihrem Willen zu Schulungen, aber auch ihrer Risikobereitschaft zeigten, dass sie die Krise bewältigen wollen. »Die steigende Wertschätzung« sei da, so Blume, jetzt müsse man die Chance ergreifen, und bei Lohn- und Arbeitsbedingungen »nachhaltig umsteuern«.

Auch die Situation der niedergelassenen Ärzte hat sich laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) klar entspannt: Noch Ende März waren mehr als 100 Arztpraxen in der Hauptstadt geschlossen - meist wegen Quarantänemaßnahmen, aber auch wegen fehlender Schutzausrüstung. Aktuell sei es nur noch eine, sagte Burkhard Ruppert von der KV. Man habe Ausrüstung im Wert von circa 20 Millionen Euro beschafft, damit hoffe man, bis in den Herbst zu kommen. Zudem seien 23 Corona-Praxen eingerichtet worden (siehe Kasten). Bei der Versorgung mit speziellem Schutz für den medizinischen Bereich gebe es aber weiter Probleme.

Das berichtet auch Thomas Werner aus dem Vorstand der Berliner Ärztekammer. Es fehle, so Werner, an Masken der Schutzstufen FFP2 und FFP3. Man müsse überdies von anlassbezogenen Tests wegkommen und sich hin zu konsequentem Screening entwickeln, so der Vivantes-Chirurg.

Die Teststrategie werde gerade geändert, erklärte dazu Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Alle Menschen mit entsprechenden Symptomen sollen demnach getestet werden; ebenso alle Kontaktpersonen von bestätigten Fällen, auch wenn sie keine Krankheitsanzeichen aufweisen. »Unser Motto ist testen, testen, testen«, so Kalayci. Neben Krankenhaus-Beschäftigten sollen auch Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen von Pflegeheimen getestet werden. Überdies solle es Screenings an Schulen und in Kitas geben. Ein Konzept gibt es dafür bisher aber nicht.

Kalayci will im Übrigen keinen Immunitätsausweis einführen. Bisher sei das Ziel, die Krankheit einzudämmen - und ein Immunitätsausweis daher ein »falscher Anreiz«.

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