Ist eine Zwangsbehandlung möglich?

Gilt eine Patientenverfügung uneingeschränkt und ausnahmslos?

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine dementsprechende Entscheidung des Landgerichts Osnabrück vom 10. Januar 2020 (Az. 4 T 8/20 - 4 T 10/20).

Der Fall: Eine Gemeinde beantragte für eine psychisch kranke Person die zwangsweise gerichtliche Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung und eine Zwangsmedikation. Sie begründete das damit, dass die betroffene Person sexuell enthemmtes und aggressives Verhalten gegenüber Dritten zeige. Dem könne man nur durch die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung und eine medikamentöse Behandlung begegnen.

Das Amtsgericht gab dem Antrag der Gemeinde statt. Dagegen legte die betroffene Person Beschwerde ein und legte eine Patientenverfügung vor. Demnach lehne sie »jede Zwangsbehandlung egal mit welchen als Medikamenten bezeichneten Stoffen« ab. Außerdem sei die »Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung strikt und verbindlich und unter allen Umständen zu unterbinden«. Diese Verfügung beruhte auf einer im Internet abrufbaren Vorlage, die dort unter dem Slogan »Für Freiheit, gegen Zwang« angeboten wird.

Das Urteil: Das Landgericht Osnabrück wies die Beschwerde zurück. Die Patientenverfügung sei in einem Fall wie dem vorliegenden kein Hindernis für die Anordnung der Unterbringung und der zwangsweisen Medikation. Zwar sollten Patientenverfügungen aufgrund des Selbstbestimmungsrechts beachtet werden. Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen finde aber seine Grenze in den Rechten Dritter.

Eine Patientenverfügung könne daher eine zwangsweise Behandlung dann nicht verhindern, wenn sie dem Schutz der Allgemeinheit diene, so das Gericht. Stelle jemand aufgrund seiner Erkrankung eine Gefahr für Dritte dar, überwiege das berechtigte Interesse der Allgemeinheit, notfalls eine Behandlung mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen zu können, so Rechtsanwalt Swen Walentowski vom DAV. Dies sei im besagten Fall aufgrund des aggressiven Verhaltens der Person gegeben. DAV/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal