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Zorn und Wachsamkeit
Sebastian Bähr über die Anschläge von Waldkraiburg
In der oberbayerischen Stadt Waldkraiburg haben Unbekannte offenbar eine Serie von Anschlägen auf migrantische Geschäftsinhaber verübt. Sechs Personen wurden bereits bei einem Brand verletzt. Ein rassistisches Tatmotiv ist wahrscheinlich. Auch der NSU hatte gezielt nichtweiße Unternehmer bei seinen Terrorangriffen ins Visier genommen. Viele extreme Rechte fühlen sich darüber hinaus gerade im Aufwind. Einige könnten die Coronakrise als Möglichkeit zum lang ersehnten »Tag X« bewerten, als Gelegenheit, um endlich loszuschlagen. Die Polizei verspricht zwar nun, die Verbrechen in Waldkraiburg ernst zu nehmen und mit ihrer Soko »Prager« gründlich »in alle Richtungen« zu ermitteln - doch reicht das? Einfach zurücklehnen und in die Arbeit der Behörden vertrauen? Die kritische Zivilgesellschaft sollte ihre Skepsis beibehalten und den Ermittlern auf die Finger schauen.
Eine Lehre der leidvollen Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland: Ohne anhaltenden öffentlichen Druck kann das institutionelle Interesse an einer Aufklärung schnell wieder sinken. Allzu oft wurden nach anfänglichen großspurigen Worten Hinweise ignoriert, Angehörige kriminalisiert, eigene Verstrickungen vertuscht.
Migrantische und antirassistische Gruppen haben recht damit, am 8. Mai einen »Tag des Zorns« zu fordern, um diesen gewaltvollen Normalzustand zurückzuweisen. Seit dem Anschlag von Hanau sind bei vielen Unsicherheit und Angst gewachsen. Aber auch der Wille zum Widerstand und zur Selbstbehauptung. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sollte den Opfern rechter Gewalt zuhören und den eigenen Blick für Rassismus und Faschismus zu schärfen. Denn zornig sollte auch sie sein.
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