SPD-Vorschläge, die ankommen

Die SPD fordert in der Coronakrise immer weitere Hilfen für Betroffene - das kommt an bei den Bürgern

  • Lesedauer: 7 Min.

Berlin. Angesichts der Milliardenlasten durch die Coronakrise pocht Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf höhere Steuern für besonders vermögende Bürger. Die Bürger, die «sehr, sehr viel verdienen, sollten einen etwas höheren Beitrag leisten», sagte Scholz dem «Tagesspiegel am Sonntag» aus Berlin. «Das bleibt unser Ziel und das wird ganz sicher auch in unserem nächsten Wahlprogramm stehen».

Der Vizekanzler verwies in dem Zusammenhang als Richtschnur auf das Wahlprogramm 2017, in dem die SPD einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent und die Einführung einer Reichensteuer gefordert hatte. Diese Steuer in Höhe von drei Prozent auf den Spitzensteuersatz sollte ab einem zu versteuernden Einkommen für Ledige von 250.000 Euro gezahlt werden.

Auf die Frage, ob das eine Art «Corona-Soli» werden solle, sagte Scholz im «Tagesspiegel am Sonntag»: «Es geht um ein faires und gerechtes Steuersystem». Dazu gehöre auch, «dass wir verhindern, dass Leute Wege finden, sich um das Steuerzahlen komplett zu drücken».

Also sei sein Bestreben, dass auf der internationalen Ebene so etwas wie eine globale Mindestbesteuerung vereinbart werden soll. Er halte Ideen für absurd, «ausgerechnet jenen, die mehrere hunderttausend Euro im Jahr verdienen, jetzt Steuersenkungen zu versprechen», betonte Scholz.

Scholz will weiter starke Konjunkturimpulse durch Förderprogramme setzen. Im Interview mit dem «Tagesspiegel» kündigte er drei spezifische Konjunkturpakete an: «Kunst und Kultur brauchen unbedingt ein eigenes Konjunkturprogramm, wir wollen den Kulturschaffenden massiv helfen», betonte der Vizekanzler. Außerdem kündigte Scholz an: «Wir müssen auch etwas tun für das Hotel- und Gaststättengewerbe, das schwer gebeutelt ist. Drittens bräuchten auch die Kommunen massive Unterstützung, sagte Scholz.

»Wenn wir unseren Wohlstand erhalten und noch ausbauen wollen, ohne fossile Energien zu nutzen, setzt das einen unglaublichen Modernisierungsschub für unser Land voraus«, sagte der Vizekanzler dem »Tagesspiegel«. Scholz will staatliche Konjunkturimpulse für die Unternehmen gezielt dazu nutzen, um das Ziel eines klimaneutralen Wirtschaftens bis 2050 voranzutreiben und um die Digitalisierung zu verstärken. »Unser Paket muss schon in diesem und im nächsten Jahre wirken«, betonte Scholz, der offen ließ, ob es deshalb einen weiteren Nachtragshaushalt geben soll.

SPD-Vorsitzende mit weiteren Forderungen

Nicht nur Scholz macht Druck für mehr Hilfe für betroffene der Coronakrise: Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans fordert staatliche Zuschüsse zur Unterstützung von Kneipen in der Corona-Krise. »Die Eckkneipe ist enorm wichtig für das Alltagsleben der Menschen. Sie müssen wir retten«, sagte Walter-Borjans der »Bild am Sonntag«.

Er kritisierte er den Beschluss der großen Koalition, die Mehrwertsteuer auf Speisen in Gaststätten zu senken: »In meiner Heimat Köln gibt es an jeder Ecke eine Kneipe. Die leben vor allem vom Bierausschank und haben nichts davon, wenn sie für ihre Frikadellen eine Steuersenkung bekommen.« Die Kneipen benötigten vielmehr eine »direkten Zuschuss«, sagte Walter-Borjans. »Was haben die von einer Umsatzsteuersenkung, wenn die gar keinen Umsatz machen, erst recht nicht mit Speisen.«

Auch Eltern will der SPD-Vorsitzende mit Direktzahlungen helfen: »Die Unterstützung von Familien mit kleineren und mittleren Gehältern ist eigentlich noch vor einem Konjunkturprogramm nötig. Der beste Weg wäre, Familien einen einmaligen Zuschuss zu überweisen, zum Beispiel mit dem Kindergeld.« Wer ein niedriges oder mittleres Gehalt habe, könne »so einen Zuschuss gut gebrauchen, um den Corona-Alltag besser zu bewältigen«. Das Geld helfe Eltern, Kindern und in der Folge auch der Wirtschaft.

In den Reigen der SPD-Stimmen für mehr Coronahilfen stimmte auch Saskia Esken ein. Die SPD-Chefin hat den Streit über die Finanzierung der Corona-Sonderprämie für Pflegekräfte kritisiert. »Bei den Bonuszahlungen für die Altenpflege gab es leider viel unwürdigen Streit um die Finanzierung«, sagte Esken der »Welt am Sonntag«. »Jetzt kommt es darauf an, dass es in allen 16 Bundesländern gelingt, die Arbeitgeber zu einem fairen Anteil an den Bonuszahlungen zu bewegen, damit nicht am Ende die Postleitzahl darüber entscheidet, wie viel uns die Pflege wert ist.« Die Politik müsse aber nicht nur einmalig, sondern strukturell für bessere Einkommen für die Beschäftigten in der Altenpflege sorgen, betonte Esken.

Die Beschäftigten in den Altenheimen sollen wegen der besonderen Belastung in der Corona-Krise eine Bonuszahlung von bis zu 1500 Euro erhalten. Die Pflegekassen sollen laut einem Gesetzentwurf eine Prämie in Höhe von 1000 Euro bezahlen, Länder und Arbeitgeber könnten weitere 500 Euro zur Verfügung stellen. Die gemeinnützigen Träger von Altenheimen wehren sich allerdings gegen eine Kostenbeteiligung.

Gemeinwohlorientierte Wirtschaft?

Die SPD will die Wirtschaftspolitik nach der Corona-Krise stärker am Gemeinwohl orientieren und etwa Genossenschaftsmodelle staatlich fördern. »Die Zeit ist reif, dass über neue Wirtschaftsformen geredet wird und dass wir in der Politik auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen«, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. »Muss es immer höher, schneller, weiter, noch globaler, noch mehr Profit, noch mehr Rendite sein? Oder kann wirtschaftliche Stärke und gesundes Wachstum stärker zum Wohle der gesamten Gesellschaft eingesetzt werden?« Das seien Fragen, die sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch drängender stellten.

»Gerade jetzt sehen viele in der Krise wie wertvoll es ist, einen handlungsfähigen Sozialstaat zu haben - und andere Strukturen als etwa in den USA«, sagte Klingbeil. Die Rolle des Staates wandele sich in der Wahrnehmung vieler Menschen. »Der Irrglaube vom schlanken Staat, der immer mehr Kosten reduziert und Strukturen abbaut, kommt an sein Ende.«

Solche Debatten dürften nicht versanden, sondern müssten jetzt offensiv in der Gesellschaft geführt werden. Einen Anstoß wollen Klingbeil und SPD-Vize Kevin Kühnert am Dienstag mit einem Online-Diskussionsforum geben, dessen Ergebnisse ins Programm der SPD für die Bundestagswahl 2021 einfließen sollen. Dabei soll es unter anderem um die Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen und Genossenschaften gehen - etwa, wenn Bürger auf dem Land ihren eigenen Supermarkt organisieren, weil die großen Ketten ihre Filialen schließen.

Zumindest bei Olaf Scholz gibt es aber auch Grenzen für Hilfen in der Coronakrise. Angesichts der Forderungen nach weiteren Milliardenhilfen und Abwrackprämien für die Automobilindustrie sieht Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Grenzen der staatlichen Belastbarkeit erreicht. »Wir werden nicht alle Probleme allein mit Steuergeld lösen können«, sagte Scholz in einem Interview mit dem »Tagesspiegel am Sonntag«. Er gebe da seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) uneingeschränkt Recht, der betont hatte, der Staat könne nicht auf Dauer den Umsatz ersetzen.

»Wichtig ist, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen durchhalten können, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben, dass es bald wieder losgehen kann«, betonte Scholz. Er erwarte, dass die deutsche Schuldenquote von zuletzt unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung wohl auf mehr als 75 Prozent klettern werde. »Am Ende der letzten Finanzkrise lag sie übrigens bei über 80 Prozent.«

Die von den Grünen geforderten Konsumgutscheine in Höhe von 250 Euro zur Stärkung des lokalen Einzelhandels lehnte Scholz mit einer Breitseite gegen die Grünen ab. Das seien Vorschläge nach dem Motto: »Mir ist nichts eingefallen, aber ich will auch etwas sagen«.

Ihr Agieren in der Coronakrise kommt der SPD unterdessen in Umfragen zugute. Die SPD ist inmitten der Corona-Krise laut einer Umfrage an den Grünen vorbeigezogen. Im »Sonntagstrend«, den das Institut Kantar wöchentlich für die »Bild am Sonntag« erhebt, legten die Sozialdemokraten um zwei Punkte auf 17 Prozent zu, während die Grünen sich um einen Punkt verschlechterten und bei 14 Prozent landeten.

Stärkste Kraft bleibt die Union. CDU und CSU verbesserten sich in der Umfrage um einen Punkt auf 38 Prozent. Die AfD blieb stabil bei zwölf Prozent. Die Linke sackte um einen Punkt auf acht Prozent ab. Auch die FDP büßte einen Punkt ein und liegt nun bei fünf Prozent. Für den »Sonntagstrend« wurden vom 30. April bis zum 6. Mai 1426 Menschen befragt. Agenturen/nd

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