… Händewaschen nicht vergessen!

Was ist dran an der Händewasch-Manie und was genau macht nun Seife mit einem »behüllten« Virus wie dem Sars-CoV-2?

  • Reinhard Renneberg & Susanne Kreimer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Kundi, das Gesundheitsmännchen«, gab auf den Schulheftrückseiten des Senior-Biolumnisten Reinhard Renneberg vor 60 Jahren unvergessliche gute Ratschläge wie den: »Nach dem Klo und vor dem Essen: Händewaschen nicht vergessen!« Heute gilt das für nahezu alle Lebenslagen; sogar zum Teil um den Gebrauch von Desinfektionsmitteln ergänzt …

Als Postdoc in Kyoto vor 40 Jahren erzählten ihm seine Forscherkollegen, jeder Japaner wüsche sich etwa 50 Mal am Tag die Hände; endlos, einfach mit Seife, fast manisch. Beim geringsten Schnupfen trugen sie Masken: Zum Schutz der anderen! Damals fand Reinhard das liebenswert, aber leicht übertrieben. Aber was ist dran an der Händewasch-Manie und was genau macht nun Seife mit einem »behüllten« Virus wie dem Sars-CoV-2?

Zunächst hat das Virus eine doppelschichtige Lipidhülle, mit Proteinen durchsetzt, die sein genetisches Material (RNA im Falle des Coronavirus) schützt. Die Virus-Lipidhülle halten starke stabilisierende Kräfte zusammen, damit das Informationspaket nicht einfach ausbüxen kann.

Gleichzeitig sind die eingelagerten Proteine für das »Andocken« an den humanen Zellen verantwortlich. Ohne sie kann das Virus nicht in die menschlichen Zellen eindringen. Und genau an dieser multipotenten Hülle des Virus setzt die Seife an. Seife ist ein Detergens oder Tensid. Tenside haben einen wasserliebenden (hydrophilen) und einen fettliebenden (lipophilen) Teil. Wird Seife in Wasser gelöst, bindet das Tensid zunächst also mit seiner wasserliebenden Seite an die Wassermoleküle. Dann hat es ja aber noch die andere, fettliebende Seite ... Und die lagert sich an die Lipidhülle des Virus an und bricht diese auf.

Stellt man sich die Seifenmoleküle als Wachmänner vor, dann halten sie im Anschluss an das Aufbrechen der Virushülle mit ihrer lipophilen Seite die Lipidteile der Virushülle, welche sie im Kampf ergattert konnten, in einer Kugel eingesperrt. Auf der hydrophilen Seite halten die Seifenmoleküle ihre »Wasserfreunde« fest und bilden damit eine sogenannte Mizelle: Man erhält winzigste Virus-Membran-Fett-Tröpfchen, in einer kleinen Kugel von den Seifen-Wachmännern umgeben und im Wasser gelöst. Damit hat man zwar das Virus noch nicht getötet, weil die RNA oder (bei anderen Viren) DNA ja noch existent ist, aber man hat es unschädlich gemacht, da diese jetzt nicht mehr weit kommt.

Desinfektionsmittel für die Hände, oft mit dem Aufdruck »antibakteriell«, helfen jedoch nur bedingt gegen Viren. Hilfreich sind nur solche, die zusätzlich die Angabe »viruzid« tragen. Die auf behüllte Viren wirkenden Mittel tun dies vor allem durch ihren hohen Alkoholgehalt von rund 80 Prozent.

Tja, und wie rechtfertigte sich gestern ein guter Freund von uns, mit dem Schnapsglas in der Hand und Mindestabstand, angesichts der Corona-Nachrichten? »Ich saufe nicht, sondern desinfiziere mich!«

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