Unerhörte Pläne für das Strandbad

Protest gegen Flächenverlust und strenges Badeverbot im Schlosspark Babelsberg

»Unerhört, unerhört, unerhört ...« Immer wieder ruft es der Mann am Eingangstor zum Seesportclub Potsdam, sieben oder acht Mal. Der Vor-Ort-Termin zum Umgang mit dem Club und dem benachbarten Strandbad Babelsberg ist öffentlich. Doch wegen der Corona-Pandemie mussten sich Interessenten vorher mit Namen und Adresse bei der Stadtverwaltung anmelden. Der Mann hat das nicht getan und wird nun nicht eingelassen. Nur 50 Personen dürfen am Samstag um 10 Uhr hinein, anschließend noch einmal ein zweiter Schwung mit angemeldeten Leuten.

Das Strandbad und der Seesportclub befinden auf einem Zipfel des Schlossparks Babelsberg. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) möchte am liebsten wieder alles in den historischen Urzustand versetzen. Kann sie aber nicht, da eine kleine Teilfläche der Stadt Potsdam gehört. Als Kompromiss haben sich die Stadtwerke als Betreiber des Strandbads und die SPSG auf einen Geländetausch geeinigt. Das in den 1950er Jahren für die DDR-Gesellschaft für Sport und Technik (GST) errichtete Domizil des Seesportclubs soll für rund 500 000 Euro abgerissen werden, ebenso das Strandbadgebäude. Stattdessen soll bis 2023 für vier Millionen Euro ein ovaler Neubau errichtet werden, in dem beide unterkommen.

Das Problem dabei: Sie werden in der äußersten Ecke des Schlossparks zusammengedrängt. Es wird weniger Platz unter dem gemeinsamen Dach sein, und die Freiflächen verringern sich auch. Dazu kommt ein heftig umstrittener Passus in der Vereinbarung mit der Stiftung: Das im Schlosspark außerhalb des Strandbads formell geltende Badeverbot soll künftig durchgesetzt werden. Dem Vernehmen nach hat die Stadt Potsdam das so gewollt, damit dem Strandbad keine zahlenden Gäste verloren gehen. Dabei ist das Bad auch ohne solch ein Verbot in den vergangenen zwei heißen Sommern so voll gewesen, dass sich auf der Liegewiese schließlich kein Plätzchen mehr fand, noch ein Handtuch auszubreiten.

Eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Pläne, denen die Stadtverordnetenversammlung am 3. Juni zustimmen soll. Lutz Boede von der linksalternativen Wählergruppe »Die Andere« versteht nicht, warum das geräumige alte Haus der GST weg soll. Saniert würde es Platz auch noch für andere Vereine bieten. Es sei doch »kein Kulturfrevel«, dieses Gebäude stehen zu lassen, findet Boede.

Wäre es nach der Stiftung gegangen, wäre es aber längst weg. Der Stadtverordnete Sascha Krämer (Linke) konnte noch eine Gnadenfrist von drei Jahren erwirken, um eine Lösung für den Seesportclub zu finden, der sonst heimatlos geworden wäre. Nun läuft die Frist jedoch ab. »Der Drops ist gelutscht«, das Haus nicht mehr zu retten, bedauert Krämer.

Der Seesportclub hätte sich gewünscht, das alte Haus zu behalten oder in dem Neubau mehr als 360 Quadratmeter für weniger Miete zu bekommen, als jetzt anvisiert ist, bestätigt der Clubvorsitzende Detlef von Jagow. Er befürchtet aber, ganz ohne dazustehen, wenn das Stadtparlament dem Kompromiss am 3. Juni nicht zustimmen sollte. »Man muss es akzeptieren«, glaubt er.

Bei dieser komplizierten Gemengelage sei seine Linksfraktion in einer Zwickmühle, erklärt der Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg. An diesem Montag wolle sich die Linke »die Karten legen«. Auf jeden Fall will sie die Durchsetzung des Badeverbots außerhalb des Strandbads kippen. Auch wenn ihr das gelingt, ist keine einheitliche Abstimmung zu erwarten. Einige werden den Plan vermutlich trotzdem ablehnen, andere sich vielleicht der Stimme enthalten.

Scharfenberg hatte durchgesetzt, dass es den Vor-Ort-Termin gibt, bevor das Parlament entscheidet. Das war auch für ihn selbst gut. Denn es mit eigenen Augen zu sehen, ist doch etwas anderes als ein Blick auf den Geländeplan. Als Harald Kümmel von der Stadtverwaltung zeigt, wo künftig das Freigelände des Strandbads endet, stellt Scharfenberg verblüfft fest: »Mir war nicht klar, dass so viel von der Liegewiese verloren geht.« Und dies lediglich, damit der historische Rundweg des Schlossparks, der sogenannte Drive, hier seinen historischen Schwung bekommt. »Dass alles so wird, wie es mal war, ist für mich kein Motiv«, hat Scharfenberg klargestellt. Ihn überzeugt lediglich das Argument, Club und Bad auf kommunalen Grund zu bekommen, um diese dauerhaft zu sichern. Aber es müsse erlaubt sein, einen derartigen Geländeverlust auch infrage zu stellen, sagt Scharfenberg laut und deutlich. »Schließlich geht es darum, eine tragfähige Lösung zu finden.«

Während des Termins dringt der am Tor teilweise ausgesperrte Bürgerprotest - dort stehen kostümierte Frauen - auf dem Wasserweg über den Tiefen See ein. Zwei junge Männer landen mit einem Kanu an und schlagen an Holzpflöcken ein Transparent ein, auf dem steht: »Strandbad bleibt!« Als zwei Polizisten herbeilaufen, flüchten sie ins Kanu und paddeln in sichere Entfernung. Seite 7

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal