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Kalkulierter Tabubruch

Simon Poelchau über die Angriffe aus der Union auf den Mindestlohn

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Tabubrüche sind so eine Sache: Meist geht es nicht darum, sofort durchzusetzen, was dabei ins Spiel gebracht wird. Stattdessen ist das erste Ziel, die Stoßrichtung einer Diskussion zu ändern. Die nun aus dem Wirtschaftslager der Union geforderte Absenkung des Mindestlohns ist ein solcher Tabubruch.

Die Gegner der gesetzlichen Lohnuntergrenze waren lange Zeit in der Defensive. Die vor der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 an die Wand gemalten Horrorszenarien, dass Tausende deswegen ihren Job verlieren würden, traten nicht ein. Stattdessen brummte der Arbeitsmarkt, und es gab einen Diskurs darüber, ob der Mindestlohn zu niedrig sei, dass man davon nicht richtig leben, geschweige denn eine armutsfeste Rente erhalten könne.

Doch nun nutzen die Gegner des Mindestlohns die Coronakrise, um im Namen der Wirtschaft die Diskussion zu drehen. Ob ein Absenken der Lohnuntergrenze überhaupt ökonomisch so klug ist, weil das ein Angriff auf die Kaufkraft von weiten Teilen der Bevölkerung und damit ebenso ein Angriff auf die private Nachfrage ist, sei dahin gestellt.

Vor allem ist die Forderung ein Schlag ins Gesicht all jener, die von 9,35 Euro die Stunde leben müssen. Dabei wurden viele von ihnen noch vor Kurzem beklatscht, weil sie den Laden in der Krise am Laufen gehalten haben, etwa weil sie im Einzelhandel arbeiten. Zum Dank für ihren Einsatz sollen sie nach dem Willen der Neoliberalen nun offenbar den Gürtel enger schnallen.

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