Kanonenbootdiplomatie made in Washington

Christian Klemm über die US-Piraterie vor der Küste Venezuelas

Protest gegen den Einsatz des US-Militärs in der Karibik in St.Petersburg, Florida
Protest gegen den Einsatz des US-Militärs in der Karibik in St.Petersburg, Florida

Mit Piraten bringt man in der Regel schlecht gemachte Hollywood-Streifen mit Johnny Depp, dem weitaus besseren Jugendroman »Die Schatzinsel« von Robert Louis Stevenson oder mit mit einem Playmobil-Schiff, mit dem die eigenen Kinder auf dem Wohnzimmerteppich spielen, in Verbindung. In den vergangenen Jahren war Piraterie aber immer auch mal Thema in den Nachrichten: So am Horn von Afrika oder in den Straßen von Malakka und Singapur, wo moderne Seeräuber mit Schnellbooten ihr Unwesen treiben und vor allem Handelsschiffe überfallen. Dass nun aber eine globale Großmacht Schiffe im Stil von Blackbeard oder Klaus Störtebeker kapert, hat dagegen eine andere Qualität.

Der Ort des Geschehens ist die Karibik. Dort versenken die USA nicht nur angebliche Drogenschmugglerboote aus Venezuela, wodurch bereits mehr als 90 Menschen getötet wurden. Washington hat auch eine Seeblockade gegen das südamerikanische Land verhängt und bringt seitdem Tanker mit venezolanischem Öl auf. Zudem hat US-Präsident Donald Trump eine gigantische Armada an Kriegsschiffen in dem tropischen Meer zusammengezogen. Kanonenbootdiplomatie made in Washington.

Völkerrecht? Das interessiert den Milliardär aus New York City nicht. Er will einen Regime-Change in Caracas, um seinem Land die größten Ölreserven der Welt im Orinoco-Gürtel zu sichern. Der venezolanische Präsident Nicolas Maduro soll abdanken und damit – so die von Washington favorisierte Variante – seinen Platz für die aktuelle Friedensnobelpreisträgerin Maria Machado frei machen. Diese ist wiederum für Trump voll des Lobes und nannte ihn – kein Witz! – einen »Champion der Freiheit« der westlichen Welt.

Für uns Linke ist klar: Ein Sturz Maduros durch die USA ist nicht hinnehmbar. Nicht nur, weil wir das Völkerrecht gegen seine unzähligen Feinde verteidigen, sondern auch, weil der US-Imperialismus bereits zu viel in der Region angerichtet hat. Kaum eine Diktatur der vergangenen 100 Jahre in Lateinamerika kam ohne die Unterstützung des mächtigen Nachbarn aus dem Norden aus. Und kaum ein Sturz einer Regierung in ihrem sogenannten Hinterhof passierte ohne die Einwilligung aus Washington: Nicaragua, El Salvador, Panama. Haiti, Grenada oder Chile – überall haben entweder die US-Armee oder die CIA mitgemischt. Oder die US-Regierung hat vor Ort Todesschwadronen und Contras mit Waffen ausgerüstet. Seit US-Präsident James Monroe seine berühmte Doktrin vor mehr als 200 Jahren formuliert hat, ist der Machtanspruch der USA in der Region omnipräsent. Der Gipfel dieses Dominanzgehabes ist der Versuch Washingtons, die kubanische Revolution durch eine Blockade zu erdrosseln.

Venezuela hat sich dem US-Anspruch seit dem Amtsantritt von Hugo Chavez im Februar 1999 entzogen – um sich anschließend Russland, dem Iran und China zugewenden. Das soll Caracas nun teuer bezahlen. Doch Moskau hat sich bereits gemeldet und bekräftigte seine Unterstützung für die Maduro-Regierung. Teheran ebenso: Venezuela habe »uneingeschränkte Solidarität sowie das Angebot zur Zusammenarbeit in allen Bereichen im Kampf gegen die Piraterie und den internationalen Terrorismus erhalten, die die USA mit Gewalt durchsetzen wollen«. Das erklärte der venezolanische Außenminister Yvan Gil nach einem Telefonat mit seinem iranischen Kollegen Abbas Araghtschi. Der Konflikt in der Karibik weitet sich also aus.

Und genau das haben Auseinandersetzungen auf dem amerikanischen Subkontinent oft getan. Stets waren die großen Player mit an Bord: Erst die Kolonialmächte Spanien, Portugal, Großbritannien und Frankreich, später die USA und die Sowjetunion und jetzt eben Russland und China. Lateinamerika ist und war eine Region, wo immer andere zumindest mitentschieden haben. Ein Spielball imperialistischer Interessen. Das ist bis heute nicht anders.

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