Notstand über Minneapolis verhängt

Neue Proteste nach brutalen Tod von George Floyd / Demonstranten stürmen Polizeistation / US-Gouverneur mobilisiert die Nationalgarde

  • Lesedauer: 5 Min.

Minneapolis. In der US-Großstadt Minneapolis ist es nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz erneut zu Ausschreitungen gekommen. Demonstranten drangen in der Nacht zum Freitag in eine Polizeistation ein, wie örtliche Medien berichteten. Auf Fernsehbildern waren auch Feuer zu sehen. Vor dem Polizeigebäude in Minneapolis riefen Dutzende Demonstranten »Keine Gerechtigkeit - kein Frieden« (»No Justice, No Peace«), wie die »Washington Post« berichtete.

Die Polizeistation sei evakuiert worden, berichtete der Sender CBS Minnesota unter Berufung auf eine Polizeimitteilung. »Demonstranten sind gewaltsam in das Gebäude eingedrungen und haben mehrere Brände entzündet«, zitierte der Sender weiter aus der Mitteilung. Laut einem »Guardian«-Reporter haben Polizei und Feuerwehr sich offenbar aus der gesamten Gegend rund um die gestürmte Polizeiwache zurückgezogen. Rund ein Dutzend Gebäude stehen offenbar in Flammen.

Nachdem er noch einen Tag zuvor »Gerechtigkeit« versprochen hatte, forderte Donald Trump der Bürgermeister von Minneapolis müsse die Stadt »unter Kontrolle bringen.« Der US-Präsident twitterte zudem eine offene Drohung an die Demonstranten: »Wenn es Plünderungen gibt, werden wir schießen«. Twitter markierte den Tweet als »gewaltverherrlichend«. Er kann nicht retweetet oder gelikt werden. Die Drohung »When the looting starts, the shootings starts« geht zurück auf den Polizeichef von Miami Walter Headley, der so 1967 auf militanten schwarzen Protest reagierte.

Auch in New York und Phoenix kam es Medienberichten zufolge zu Protesten. Bei Protesten in Denver kam es auch zu Schüssen, wer auf wen schoss ist jedoch noch unklar. Dort wurde auch eine Autobahn blockiert. In Los Angeles hatten Black-Lives-Matter-Demonstranten bereits am Vortag eine Autobahn blockiert und dabei ein Polizeiauto attackiert. In der Nacht zum Freitag gab es auch in Louisville, der Hauptstadt des Bundesstaates Kentucky, Protest gegen rassistische Polizeigewalt im Fall Breonna Taylor. Die schwarze Frau war im März von Polizisten in ihrer Wohnung erschossen worden. Mindestens sieben Menschen wurden bei den Protesten in Louisville durch Schüsse verletzt. In rund einem Dutzend weiterer Städte kam es ebenfalls zu Protesten. Weitere Demonstrationen sind für das Wochenende geplant.

US-Gouverneur mobilisiert Nationalgarde

Der Gouverneur des US-Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, erklärte am Donnerstag einen Notstand für Minneapolis und umliegende Gebiete, wie aus seiner Verfügung hervorging. Er forderte die Nationalgarde an. Rund 500 Nationalgardisten wurden laut dem »Guardian« in die Gegend rund um Minneapolis entsandt, griffen aber in der Nacht zum Freitag nicht ein.

Die schwarze Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) erklärte, ein Einsatz der Nationalgarde sei »nicht nötig«. Was Minneapolis stattdessen brauche seien »Mittel für psychologische Hilfe, Community Bildung und Wirtschaftsförderung - und eine Anklage gegen die Polizisten«.

Auslöser für die Wut und Empörung der Demonstranten war ein rund zehn Minuten langes Video von Floyds Tod, das sich wie ein Lauffeuer auf sozialen Medien verbreitete: Ein weißer Polizist drückte sein Knie mehrere Minuten lang an den Hals des 46-Jährigen, der wiederholt um Hilfe flehte, bevor er das Bewusstsein verlor. Wiederholt sagte der Afroamerikaner: »Ich kann nicht atmen.« Er starb kurz danach in einem nahen Krankenhaus. Die insgesamt vier involvierten Polizisten wurden entlassen, aber bislang weder festgenommen noch angeklagt.

Die Bundespolizei FBI und die örtliche Staatsanwaltschaft erklärten am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme, den Ermittlungen und einer möglichen Anklage werde »höchste Priorität« gegeben. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump eine beschleunigte Untersuchung des Vorfalls versprochen. Trump sagte am Donnerstag im Weißen Haus, er habe sich das Video angeschaut. »Das war eine sehr schlechte Sache, die ich gesehen habe.« Auf Nachfrage sagte der Präsident, mit Floyds Familie habe er bislang noch nicht gesprochen.

Das System ist das Problem
Demokraten-Politikerin Amy Klobuchar hat Untersuchung problematischer Einsätze von weißem Polizist Derek Chauvin verhindert

Die Nationalgarde zählt zur Reserve der US-Armee. In der Anordnung von Walz hieß es, die Bürgermeister der benachbarten Städte Minneapolis und St. Paul hätten nach den Ausschreitungen um die Mobilisierung gebeten, um Sicherheit zu gewährleisten. Bei friedlichen Protesten hatten zuvor viele Demonstranten Gerechtigkeit für Floyd und eine Verurteilung der involvierten Polizisten gefordert. Lokale Medien berichteten allerdings auch, einige Demonstranten hätten Feuer in Geschäften gelegt. Auf Fernsehbildern waren Plünderungen zu sehen. Die Polizei ging mit Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstagabend rief die Bezirksstaatsanwältin von Minnesota, Erica MacDonald, Demonstranten dazu auf, friedlich zu bleiben. »Ich bitte die Menschen, Ruhe zu bewahren und uns diese Untersuchung durchführen zu lassen«, sagte MacDonald. »Es bricht mir das Herz zu sehen, was auf unseren Straßen in Minneapolis und St. Paul und einigen unserer Vororte passiert.« Der örtliche FBI-Vertreter Rainer Drolshagen äußerte Verständnis für die »extreme Frustration, Wut und Traurigkeit« über den Vorfall und sicherte eine umfassende Aufklärung zu.

In den USA kommt es immer wieder zu rassistisch motivierten Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze. Zuletzt hatte in den USA ein Clip aus dem Bundesstaat Georgia für Aufsehen gesorgt - ein verstörendes Handyvideo zeigte, wie der schwarze Jogger Ahmaud Arbery (25) von weißen Männern offenbar angegriffen und dann erschossen wurde. Nach der Tat im Februar hatte es zwei Monate gedauert - bis zur Veröffentlichung des Videos - bis es in dem Fall erste Festnahmen gab. Einer der Verdächtigen soll früher Polizist gewesen sein. Gegen den Polizisten, der George Floyd tötete, gab es laut CNN 18 Beschwerden durch Bürger. Konsequenzen gab es für ihn nur einmal: eine Verwarnung in Briefform. Agenturen/nd

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