Garnisonkirche mauert sich ein

Beim laufenden Wiederaufbau des Turms bleiben Bildungs- und Ausstellungskonzept unklar

Beim umstrittenen Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche wächst zunächst der Turm Stück für Stück. 88 Meter hoch soll er werden. 2,3 Millionen Ziegelsteine müssen dazu gemauert werden. Inzwischen sind bereits 1,1 Millionen Steine verbaut. Im Sommer 2022 soll die Eröffnung sein.

In der historischen Barockkirche hatten die Faschisten am 21. März 1933 die Eröffnung des Reichstags zelebriert. Kanzler Adolf Hitler schüttelte dort die Hand des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Bei einem alliierten Bombenangriff am 14. April 1945 brannte die Kirche aus und stürzte teilweise ein, am 23. Juni 1968 wurde die Ruine gesprengt.

Die Etage, in der eine Ausstellung zur Geschichte des Bauwerks gezeigt werden soll, ist im Rohbau schon fertig. Sie kann jedoch im Moment nicht betreten werden. Stützen versperren einstweilen den Weg. Die Bauarbeiter müssen die Leitern auf dem Gerüst nehmen, um nach oben zu gelangen.

Über die Inhalte der Ausstellung und der geplanten Bildungsarbeit verrät die Stiftung Garnisonkirche noch nichts, als sie am Freitag das Betriebs- und Nutzungskonzept für den Turm vorstellt. Auf 19 Seiten steht da nur ein einziger Satz: Die Ausstellung solle dabei helfen, »historische Zusammenhänge und ideengeschichtliche Wirkungen besser zu verstehen - von der Grundsteinlegung der Kirche angefangen, über die Ereignisse des 20. Jahrhunderts in Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und DDR und darüber hinaus bis in die Gegenwart hinein«.

Es könnte schon mehr verraten werden. Denn es sollen bereits 40 Seiten mit Vorüberlegungen notiert sein. Doch die werden unter Verschluss gehalten. »Ich kann ihnen versprechen, es wird ziemlich gut werden«, sagt der theologische Vorstand, Martin Vogel, lediglich.

Gegnern der Garnisonkirche missfällt der Wiederaufbau eines Wahrzeichens des preußischen Militarismus prinzipiell. Daran würde sich wenig ändern, auch wenn die Ausstellung immerhin einen Kontrapunkt dazu setzt und kritisch aufarbeitet, was hier geschehen ist. Das Nutzungskonzept lässt aber leise Zweifel aufkommen, ob dies überhaupt angestrebt ist. Fünf Ziele des Wiederaufbaus sind dort genannt, und dabei steht »Sehenswürdiges zeigen« an erster Stelle und damit vor »Geschichte erinnern«.

Geht es also doch in erster Linie darum, das Wahrzeichen wiederzuerlangen, und höchstens an zweiter Stelle um Aufklärung und Aufarbeitung? Pfarrer Vogel möchte nicht, dass dieser Eindruck entsteht. »Wir haben von außen nach innen gedacht«, versichert er. Der Anspruch sei: »Niemand soll rausgehen und sagen: ›Ich habe was Schönes gesehen, aber weiter nichts erfahren‹.«

Äußerlich wird sich der neue Turm kaum vom historischen Vorbild unterscheiden. Immerhin soll in den Sockel in deutscher, russischer, englischer, französischer und polnischer Sprache ein Spruch aus dem Lukas-Evangelium eingraviert werden: »Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens«. Den Turm noch deutlicher anders zu gestalten wäre jedoch nach Ansicht von Kommunikationsvorstand Wieland Eschenburg »wider die Verantwortung«.

Lutz Boede von der linksalternativen Wählergruppe »Die Andere« hat naturgemäß einen anderen Blick auf die Dinge. »Aus unserer Sicht ist unstrittig, dass es einen optischen Bruch mit der Geschichte geben muss - auch schon am Turm«, sagt er. »Man muss auf den ersten Blick sehen können: Das ist nicht die alte Garnisonkirche.«

Studenten der Universität Kassel und der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee hatten Vorschläge dazu gemacht. Sie regten unter anderem an, den im Zweiten Weltkrieg von Hitlerdeutschland überfallenen Staaten an der Fassade Ecken zur künstlerischen Gestaltung zu überlassen.

Einen »optischen Bruch« wünscht sich auch der Stadtverordnete Sascha Krämer (Linke) - wenigstens beim Kirchenschiff. Zur Gestaltung des Kirchenschiffs will die Stadt eine Art Ideenwerkstatt veranstalten. Laut Krämer geht es darum, die Fläche zwischen dem Kirchturm und dem Kunst- und Kreativhaus nebenan im alten Rechenzentrum »neu zu denken«.

Die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche vertritt die Ansicht, die Stiftung müsse sich endgültig von einem originalgetreuen Wiederaufbau des Kirchenschiffs verabschieden, nachdem ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion am Mittwochabend im Stadtparlament abgelehnt worden sei. Die Stiftung müsse sich stattdessen auf eine ergebnisoffene Debatte zur Zukunft des Geländes einlassen.

Seitens der Stiftung beharrt Kommunikationsvorstand Eschenburg: »Es ist unsere Fläche, die wir auch bebauen wollen.« Das heißt im Klartext: Das alten Rechenzentrum steht im Weg und soll keine längere Galgenfrist bekommen als bis zum Jahr 2023. Wenn später zum Turm noch das Kirchenschiff wiedererrichtet werde, dann müsse dieses aber nicht unbedingt die originale Kubatur haben, gesteht Eschenburg zumindest zu.

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