Stadtrat von Minneapolis will Auflösung der Polizeibehörde

Mehrheit der Verordneten ist der Ansicht, dass die lokale Polizei »nicht reformierbar« sei

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Washington. Zwei Wochen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz richtet sich in den USA der Fokus der Anti-Rassismus-Bestrebungen zunehmend auf Reformen bei der Polizei. Afroamerikanische Parlamentarier der oppositionellen Demokraten wollen an diesem Montag eine Gesetzesinitiative für eine stärkere landesweite Kontrolle der Polizeibehörden in den Kongress einbringen. In Minneapolis, wo Floyd getötet worden war, kündigte der Stadtrat die Auflösung der örtlichen Polizeibehörde an.

Es müsse eine stärkere Aufsicht über die Polizei geben, sagte die demokratische Abgeordnete Val Demings am Sonntag dem Sender ABC News. Auch müssten die Polizeiausbildung und die Polizeiregeln für die Gewaltanwendung unter die Lupe genommen werden, betonte die afroamerikanische Politikerin, die früher Polizeichefin von Orlando im Bundesstaat Florida war.

Audioreportage von USA-Korrespondent Max Böhnel zu den Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus

Die Gesetzesinitiative, die in das Repräsentantenhaus eingebracht werden soll, zielt offenbar unter anderem auch darauf ab, dass Polizisten leichter für Einsätze mit tödlichen Folgen juristisch verfolgt werden können. Ob der Vorstoß eine Chance hat, ist allerdings höchst ungewiss. Das Repräsentantenhaus wird von den Demokraten kontrolliert, der Senat - die andere Kongresskammer - hingegen von der Republikanischen Partei von Präsident Donald Trump.

Der kommissarische Heimatschutzminister Chad Wolf bestritt, das es einen systemimmanenten Rassismus in der Polizei gebe. Justizminister Bill Barr sagte im Sender CBS, er sei gegen jede Gesetzesänderung, die den Schutz von Polizisten vor juristischer Verfolgung abschwäche.

In mehreren US-Städten gibt es allerdings bereits Initiativen für eine Reform der Polizei. Tiefgreifende Änderungen im Polizei- und Justizsystem sind auch zunehmend eine Forderung der Anti-Rassismus-Demonstrationen in den USA, die durch den Tod Floyds ausgelöst worden waren und die am Wochenende unter anderem in New York und Washington sowie vielen Städten, in denen mehrere zehntausende Menschen erneut auf die Straße gingen, landesweit weitergingen.

In Minneapolis kündigte der Stadtrat an, die Polizeibehörde komplett aufzulösen und durch eine neue »nicht-gewaltsame« Struktur für die Polizeiarbeit zu ersetzen, wie Mitglieder des Gremiums mitteilten. Wie dieses neue Modell aussehen soll, solle noch diskutiert werden, kündigte die Stadtratsvorsitzende Lisa Bender im Sender CNN an.

Die Mehrheit in dem Gremium sei der Meinung, dass die örtliche Polizeibehörde »nicht reformierbar« sei, schrieb Stadtratsmitglied Alondra Cano im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, lehnt eine komplette Auflösung der Behörde allerdings ab. Doch weil sich am Sonntagabend neun von 12 Stadtratsmitgliedern für den Schritt aussprachen kann ein Veto des Bürgermeisters überstimmt werden.

Die Stadt Camden in New Jersey war 2013 einen ähnlichen Weg gegangen und hatte die lokale Polizeibehörde nach Korruptions- und Gewaltvorwürfen aufgelöst und anschließend in deutlich veränderter Form neugegründet. Die Beschwerden gegen Beamte wegen Gewaltanwendung gingen danach dramatisch zurück.

Auch in New York kündigte Bürgermeister Bill de Blasio Reformen bei der Polizei an. Das Budget der Polizeibehörde solle gekürzt und die Gelder stattdessen teilweise in die Jugend- und Sozialarbeit gesteckt werden, sagte er laut örtlichen Medien. Wie stark das Polizeibudget gekürzt werden soll, präzisierte De Blasio nicht. Der vermeintlich progressive Bürgermeister war in den letzten Tagen durch die Proteste stark von links unter Druck geraten.

Auch die Diskussion um Trumps Reaktion auf die Anti-Rassismus-Proteste hielt mit unverminderter Schärfe an. Der Präsident hatte mit einem Militäreinsatz gegen Ausschreitungen gedroht und damit heftige Kritik auf sich gezogen, darunter die seines früheren Verteidigungsministers und Ex-Generals Jim Mattis und von anderen ehemaligen ranghohen Militärs.

Diesen Kritikern schloss sich nun der frühere Außenminister und Ex-Generalstabschef Colin Powell an. »Wir müssen die Verfassung respektieren. Und der Präsident hat sich davon abgewandt«, kritisierte der Republikaner im Sender CNN. Powell kündigte an, bei der Wahl im November für Trumps Herausforderer Joe Biden zu stimmen.

Biden dankte dem Afroamerikaner Powell für seine Unterstützung. Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten kündigte zudem an, dass er am Montag im texanischen Houston Floyds Familie besuchen wolle. Der unbewaffnete Afroamerikaner war gestorben, nachdem ein weißer Polizist fast neun Minuten lang auf seinem Nacken gekniet hatte. AFP/nd

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