Der Schein trügt
Personalie
Hafsa Al-Ulama bricht mit so ziemlich jedem Vorurteil, das über die Rolle der Frau in den konservativen Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) herrscht. Denn die Diplomatin ist studiert und erfolgreich. Sie trägt kein Kopftuch, dafür manchmal einen Blazer. Um all diese Freiheiten zu erlangen, musste sie keinen Bruch mit ihrem Heimatland eingehen wie so viele ihrer Landesschwestern. Am Montag wurde Hafsa Al-Ulama von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier offiziell als neue Botschafterin der VAE in Deutschland akkreditiert. Studiert hat sie Wirtschaft in San Diego und an der renommierten London School of Economics. Danach war sie unter anderem Vorstandsmitglied der Abu Dhabi Capital Group und die erste weibliche Vizepräsidentin der Citibank VAE. Vor ihrer Entsendung nach Berlin war sie Botschafterin in Brasilien, Montenegro und dem Kosovo.
Die Beziehungen der Bundesrepublik zur VAE sind stark, und sie werden immer stärker. Beide Länder bemühen sich sehr, diese Bindung als fortschrittlich zu verkaufen. Besonders die VAE investieren Milliarden in das sogenannte Nation-Branding, eine Art Schönmalerei für Nationen. Die Nominierung der Frau Al-Ulama ist Teil dieser Kampagne, die Golfstaaten in ein gutes Licht zu rücken. Als Botschafterin vertritt Al-Ulama zwar die VAE, verkörpern tut sie das Land jedoch keineswegs.
Denn die Politik der Emirate ist so wenig fortschrittlich wie Frau Al-Ulama als prototypische Emirati gelten könnte. Obwohl eins der reichsten Länder der Welt, mit Luxusboutiquen an jeder Ecke und einem umfassenden Sozialsystem für Staatsbürger, ist die Gesellschaft vor allem gegenüber Frauen feudalistisch. Zwangsehe, Bevormundung und körperliche Gewalt sind in vielen Haushalten normal. Dass eine Emirati ohne Kopftuch durch die Stadt spaziert, ist eine extreme Seltenheit. Ob die Ernennung von Frau Al-Ulama vielleicht trotzdem Zeichen eines Wandels ist, der nicht nur auf Empfängen der deutschen Hauptstadt gezeigt wird, sondern auch bald in den VAE selbst Fuß fasst, wird sich zeigen.
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