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Das Covid-Pharma-Rennen läuft

Weltweit haben Unternehmen bereits 161 mögliche Corona-Impfstoffe in der Pipeline

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Sollte es dem französischen Pharmahersteller Sanofi gelingen, einen wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, erhalten die USA Sonderrechte bei der Bestellung. Grund ist eine finanzielle Beteiligung an den Entwicklungskosten. Gezahlt wird sie von der Biomedical Advanced Research and Development Authority (Barda), einer dem amerikanischen Gesundheitsministerium unterstellten Behörde. »Die US-amerikanische Regierung hat das Recht auf die größte Vorbestellung, weil sie bereit war, die finanziellen Risiken mitzutragen«, löste Paul Hudson, Vorstandsvorsitzender bei Sanofi, Mitte Mai einen Skandal aus.

Nach heftiger öffentlicher Kritik ruderte das größte Pharmaunternehmen in der EU zumindest teilweise zurück. Der Impfstoff werde allen Bürgern zur Verfügung gestellt. Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron hatte die proamerikanische Aussage des Briten in Rage gebracht, er zitierte Hudson zu sich. Diesen Dienstag wird Macron nach Angaben französischer Medien das Impfstoff-Zentrum von Sanofi in Lyon besuchen. Macron würde Impfstoffe gerne dem Marktmechanismus entziehen.

Dazu dürfte es nicht kommen. Weltweit hat ein Rennen der großen Pharmaunternehmen um den lukrativen Impfstoff eingesetzt. »161 Impfstoff-Kandidaten sind in der Pipeline«, berichteten die Gesundheitsexperten der Beratungsgesellschaft EY am Montag in einem Pressegespräch. Solch eine Häufung habe es noch nie gegeben. Zehn Kandidaten befinden sich bereits in der klinischen Erprobung. Sanofi wird damit erst im Herbst starten.

Am Wochenende wurde bekannt, dass Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande eine Impfstoffallianz geschlossen haben. Die »EU-Pioniere«, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), haben mit dem Pharmariesen Astra-Zeneca eine Lieferung von mindestens 300 Millionen Impfdosen ausgemacht. Legt man den Preis für eine normale Grippeimpfung von 11 bis 14 Euro zugrunde, beläuft sich der EU-Deal auf drei bis vier Milliarden Euro.

Das in Cambridge ansässige britisch-schwedische Unternehmen hatte zuvor schon Verträge mit englischen, US-amerikanischen und indischen Behörden geschlossen. In einer Mitteilung verspricht Astra-Zeneca, das in mehr als 100 Ländern aktiv ist, »keinen Profit während der Pandemie« zu machen. Auch andere Konzerne verweisen auf die extrem hohen Kosten für die Entwicklung eines Impfstoffes und das große Verlustrisiko. Schließlich wisse niemand am Anfang einer Produktentwicklung, ob der Wirkstoff die erhoffte Wirkung zeigen werde. So soll Astra-Zeneca allein aus Washington eine Milliarde US-Dollar Zuschuss erhalten. Über die Höhe der Zahlungen der EU ist nichts bekannt.

Solche Subventionen halten Finanzanalysten durchaus für zweckmäßig. Schließlich räumten die Unternehmen bereits jetzt Fabrikkapazitäten frei, um nach der Zulassung eines Impfstoffes weltweit sofort die Produktion hochfahren zu können. EY erwartet denn auch ein Ende der politischen »Scharmützel« zwischen den Ländern: »Eine globale Krise braucht eine globale Lösung.« Und die insgesamt überdurchschnittlich profitable Pharmaindustrie selber sei sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werde »solidarisch vorgehen«.

Wie andere Pharmafirmen ächzt Astra-Zeneca unter dem Auslaufen des 20-jährigen Patentschutzes umsatzstarker Medikamentenklassiker. 2019 sank der Konzernumsatz - entgegen dem Branchentrend - sogar um drei Prozent auf unter 42 Milliarden Euro. Ob Astra-Zeneca am Ende das Impfrennen gewinnt, bleibt abzuwarten. Dass bereits in diesem Jahr erste Impfstoffe auf den Markt kommen, sei lediglich eine Hoffnung, so EY. Normalerweise dauere die Entwicklung Jahre. Und gegen Malaria gebe es auch nach Jahrzehnten noch kein Mittel.

Die deutsche Regierung fährt vorsichtshalber mehrgleisig. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verkündete am Montag, dass sich der Bund mit 300 Millionen Euro an dem Tübinger Corona-Impfstoffentwickler Curevac von SAP-Gründer Dietmar Hopp beteiligt. Der Bund wird damit einen Anteil von rund 23 Prozent halten.

Selber wurde die Branche von Corona bislang nur »milde« getroffen, so die EY-Einschätzung. Doch wie bei Kliniken und Krankenkassen ist es für eine genaue Bilanz noch zu früh. Zwar dürfte Corona den Umsatz bei Tests und bestimmten Therapeutika gesteigert haben. Gleichzeitig ging aber die Nachfrage nach medizinischen Leistungen für andere Krankheiten zurück.

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